Vallemaggia – 6 Tage durch’s herbstliche Tessin
Das Tessin ist die Schweizer Sonnenstube. Sonnige Erwartungen erfüllt es aber nicht immer. Dafür bietet es Unbezahlbares: Den perfekten Moment. Dieses kurze Glück, das ich mit Händen greifen und für immer festhalten will.
Natürlich! Jeder beschreibt einen perfekten Moment anders. Aber eines ist bei allen gleich: Es müssen ganz viele verschiedene Punkte zusammenkommen, damit wir diesen erleben können. Für mich trat dieser perfekte Moment am späten Nachmittag des fünften Tages bei unserer Weitwanderung durchs Vallemaggia ein. Da war er, dieser ganz kurze Augenblick des Glücks, der mich bis in den Winter hinein fröhlich gemacht hat und der für immer unwiderruflich mit dem Tessin verbunden ist.
Doch was genau hat es dafür gebraucht? Knapp 5000 Höhenmeter war ich die Tage zuvor hinaufgestiegen, hatte bei Steigungen jenseits von Gut und Böse – wie soll man es auch sonst nennen, wenn man auf dreieinhalb Kilometer 1000 Höhenmeter aufsteigt – gekämpft und war zwei Tage bei Nebel und Regen auf glitschigen stufigen Wegen gewandert. Kurzum, diese herbstliche Wanderung hat mich zunächst erst einmal was gekostet: Durchhaltevermögen, Kraft und die berühmten Körner. Aber so wie man beim Bergwandern nur dann hinaufsteigen kann, wenn man im Tal ist, so ist es auch mit den Emotionen.
An diesem besagten fünften Tag stiegen wir 1500 Höhenmeter auf den nicht immer geliebten Tessiner Treppenwegen auf. Für die knapp sieben Kilometer brauchten wir drei Stunden. Es fiel uns leicht und dieses sensationelle Gefühl von guter Fitness war unser treuer Begleiter. Die gelben Lärchen leuchteten vor dem tiefblauen Himmel noch ein wenig intensiver als die Tage zuvor. Wir streiften vorbei an traditionellen Steinalpen, die irgendwann in einem anderen Jahrtausend mit viel Schweiß durch Menschenhand geschaffen wurden. Doch ihre Besitzer hatten sich längst aufgrund des herannahenden Winters ins Tal zurückgezogen. Einzig die Tessiner Bergziegen beäugten uns neugierig. Sie waren es auch, die uns kurz nachdem uns das Vallemaggia so zauberhaft herbstlich zu Füßen lag, zur Alpe Nimi eskortierten.
Schauplatz des Glücks: Alpe Nimi
Es gibt für einen Wanderer kaum etwas Schöneres, als wenn der Hüttenwirt persönlich schon von Weitem winkt und einen herzlich willkommen heißt. Im Prinzip begann so dieser besagte perfekte Moment. Aufgereiht um einen Steintisch sitzen wir in dieser herbstlichen Sonne, die uns wie eine dicke Wolldecke wärmt und die letzten Schweißtropfen von der Stirn trocknet. Es finden sich immer mehr Wanderer am runden Tisch ein. Wo kommst du her? Wo gehst du hin? Wie war der Weg? Während wir echte Geselligkeit leben, sinkt die Sonne in Richtung Horizont. Sie wird später irgendwo hinter dem höchsten Punkt der Schweiz untergehen. Doch zuvor wird sie wie im Märchen die Berge, den von hier aus perfekt zu sehenden Lago Maggiore, die Ziegen und die alten Steinhäuser der Ziegenalpe in einen güldenen Schleier hüllen.
Dazu gibt’s das perfekte Panorama, das den tiefsten und höchsten Punkt der Schweiz auf einem Foto vereint: Den sich durch die Berge windenden, 193 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Lago Maggiore links, die schneebedeckte, 4634 Meter-hohe Dufourspitze etwas weiter rechts im Bild. Zum Naturspektakel werden hausgemachte Köstlichkeiten gereicht – das Beste, was wir in der letzten Woche gegessen haben. Der Geschmack von cremigem Ziegenfrischkäse, die zarte Salami und der deftige Bergkäse sorgen für eine Geschmacksexplosion, während alles um uns herum Gold schimmert. Erste zartrosa und blaue Streifen zieren derweil den Himmel. Unter dem Tisch liegt der beste Wanderhund der Welt, an meiner Seite sitzt der richtige Mensch.
Statt wie sonst das Glück erst zu erkennen, wenn es nur noch im Rückspiegel zu erkennen ist, weil wir eigentlich viel zu schnell durchs Leben rauschen, ist er jetzt fast greifbar. Der Glücksmoment. Da wo die Zeit für einen Sekundenbruchteil stillsteht. Wo sich ein breites Lächeln wie von Zauberhand in jedes Gesicht malt. Wo mir plötzlich völlig egal ist, was der nächste Tag bringt und wie die letzte Schlussetappe sein wird. Nichts und Niemand würde mir diesen Moment nehmen können – und er würde alles Schlechte überstrahlen. Doch diese besonderen Augenblicke lassen sich nur in Gedanken konservieren, nie in der Realität. Ein Schaudern erinnert mich schließlich unsanft daran, dass wir den 22. Oktober schreiben und auf mehr als 1700 Metern sitzen. Die Kälte kriecht unbarmherzig in die Knochen, der Hund fängt an zu schlottern – es ist Zeit in die warme Stube zu gehen.
1. Anforderungen & Überblick Tessin-Trekking
2. Mit Hund unterwegs
3. Weitwanderung durchs Vallemaggia – die Etappen
4. Hinweise und Planungshilfen
5. Übernachtungen
Anforderungen & Überblick Tessin-Trekking
Wir folgen bei dieser Weitwanderung durch’s Tessin keinem ausgewiesenen Weg. Obwohl es den gibt. Die Alta Via Vallemaggia führt vom Lago Maggiore bis nach Fusio im Norden und gehört wohl zu den schönsten, aber auch anspruchsvollsten Wegen in der Schweiz. Sie ist wild, abenteuerlich und ursprünglich. Dieser Weitwanderweg steht schon sehr lang auf meiner Liste, aber Ende Oktober, wenn man immer mit Eis und Schnee rechnen muss, sind wir nicht sicher, ob wir die anspruchsvolle Tour mit unserer alten Hundedame schaffen würden. Die Alta Via Vallemaggia bietet mit Kletterpassagen, schweren, versicherten Wegen und ausgesetzten Graten eine sehr große Portion Abenteuer. Darüber hinaus sind die Hüttenwarte von den Alpen, den feinen Selbstversorgerhütten, schon im Tal und meine Wanderpartnerin bevorzugt auch gern eine bewirtschaftetet Unterkunft.
Also muss ein Kompromiss her. Diesen findest du hier in dieser selbst geplanten Alternativroute. Sie hält statt Kletterei mehr Höhenmeter bereit, da wir zweimal zurück ins Maggiatal absteigen. Dafür lassen wir die ganz schweren Passagen aus und übernachten nur einmal in einer Selbstversorgerhütte, der Alpe Spluga. Dennoch solltest du diese Tour nicht unterschätzen, denn auch hier nutzen wir schwere Bergwanderwege (in der Schweiz blau-weiß markiert). Mit einer sehr guten Portion Ausdauer, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit lässt sich das aber gut meistern. Einiges an Kletterei über riesige Felshaufen ist dennoch nötig. Aber nur die Hundeseniorin braucht hier und da Hilfe. Als grobe Orientierung: Die Wege haben einen Schwierigkeitsgrad bis T4.
Fakten & Daten zur Weitwanderung
Beste Reisezeit: Mitte Mai bis Oktober
Dauer: 6 Tage
Länge: 77 km
Höhenmeter Aufstieg: 5560 m
Höhenmeter Abstieg: 4970 m
Höchster Punkt: Pass am Pizzo del Prevat, ca. 2388 m
Schwierigkeit: schwer (T1-T4-Wege)
Art der Tour: Streckenwanderung
Damit wir einfach mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Ausgangspunkt zurückkommen starten wir in Prato und laufen erst nach Fusio, dort wo die Alta Via Vallemaggia beginnt (bzw. endet). Aber das ist wahrlich kein Notnagel. Im Gegenteil. Diese erste Etappe haut mich direkt um.
Etappenübersicht Tour durchs Vallemaggia
Ausgangspunkt | Endpunkt | Strecke | Aufstieg | Abstieg | Dauer | |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Prato | Fusio | 18.5km | 1440m | 1200m | 8:00 |
2 | Fusio | Bignasco | 20.3km | 260m | 1070m | 6:00 |
3 | Bignasco | Alpe Spluga | 12.3km | 1810m | 370m | 6:45 |
4 | Alpe Spluga | Maggia | 7.3km | 10m | 1470m | 3:30 |
5 | Maggia | Alpe Nimi | 7.1km | 1370m | 0m | 3:30 |
6 | Alpe Nimi | Lago Maggiore | 10.3km | 560m | 670m | 4:00 |
Gesamt | 76.8km | 5560m | 4970m | 31:45 |
Bis auf die Alpe Spluga wird in bewirtschafteten Unterkünften übernachtet. Aber die Alpe Spluga ist mehr als ein klassisches Biwak. Eine perfekt ausgestattete Selbstversorgerhütte, wie es die/der ein oder andere vielleicht aus Schweden kennt. Lebensmittel und Getränke können gekauft werden, es gibt Koch- und Heizmöglichkeiten und auch sehr bequeme Betten. Wer mag kann sogar Duschen.
Wegverlauf und Höhenprofil
Download: GPX Trekking Vallemaggia/Tessin
Mit Hund unterwegs
Schon im September, als ich mit Lotte 6 Tage im Adamello auf einer vermeintlichen Abschiedstournee unterwegs war, hat mich die alte Dame total überrascht. So sollte es auch im Tessin kommen. Ich habe immer ein wachsames Auge auf sie, aber sie wirkte bei dieser ja doch recht anspruchsvollen Tour nie müde. Lediglich die Kletterei über das Blockwerk fand sie nicht sonderlich toll. Aber das Problem ist mechanischer Natur – eine Wirbelsäulenversteifung nimmt ihr die Wendigkeit – und hat nichts mit mangelnder Fitness zu tun. Ich helfe ihr daher über die hohen Stufen. Fernab dessen hatte meine 12-jährige treue Begleiterin keinerlei Schwierigkeiten mit dem Weg. Dieser Höhenweg sollte also fitten Hunden mit Trittsicherheit keine Probleme bereiten.
Die Übernachtung mit Hund ist in allen (untenstehend genannten) Hütten/Pensionen möglich. Bei der Alpe Spluga darf der Hund nicht mit ins Zimmer, kann aber in einem separaten Raum schlafen.
Weitwanderung durchs Vallemaggia – die Etappen
Diese Tour ist ein wahres Schätzchen. Wenn anderswo in den Alpen schon das Ende der Saison eingeläutet wird, kann man hier noch wunderbar wandern. Die beiden Hütten haben von Mitte Mai bis Ende Oktober geöffnet, die Pensionen nahezu ganzjährig. Auch darüber hinaus ist das Tessin einfach eine wunderbare Alpenregion. Glasklare Bergessen, schroffes Gelände und sanfte Hänge und wahrlich tolle Aussichten. Das Vallemaggia ist aber auch bekannt für seine knackigen Anstiege – bevorzugt auf Treppenwegen. Diese Wanderung bietet aber auch jede Menge Kultur. Die traditionellen Steinhäuser habe ich euch ja schon vorgestellt, darüber hinaus gibt es noch tolle Steinbrücken über Schluchten, die mich wiederum eher an die Socá in Slowenien erinnert haben. Alles in allem eine fantastische Tour.
Tag 1 – von Prato nach Fusio
Wenn einem am ersten Tag einer Weitwanderung schon alles perfekt vorkommt, dann ist das meist ein gutes Omen für den Rest der Tour. Das gilt insbesondere, wenn die erste Tour solch ein Brocken ist. Auf unserem Weg von Prato (1) nach Fusio haben wir einiges an Höhenmetern zu bewältigen. Umso besser, wenn dann aus den anfänglichen, empfindlich kühlen Temperaturen später tatsächlich ein Stück Sommer wird. T-Shirt-Wetter trifft auf zugefrorene Bergseen – herrlich!
Von Prato aus meint es der Weg zunächst sehr gut mit uns. Nicht nur, dass die Steigung eigentlich ganz moderat ist, sondern die herbstliche Landschaft beeindruckt uns ab dem ersten Schritt, auch wenn wir zunächst im Wald laufen. Je höher wir steigen, desto goldener werden die Lärchen, welche später am ersten See, dem Lago Tremorgio (2), einen irren Kontrast zum tiefblauen Bergsee geben. Die Sonne krabbelt hier schließlich über die Berggipfel und beschert uns eine erste kurze Pause.
Gestärkt setzen wir unsere Erkundungstour Richtung Passo Vanit (3) und weiter zur Capana Leit (4) fort. Letztere hat zwar schon geschlossen, bietet aber einen offenen Winterraum und für uns einen weiteren perfekten Pausenplatz in der Sonne. Wir haben nun die Qual der Wahl. Nehmen wir den leichten Weg im Norden oder den blauen (schweren) Weg im Süden? Wir fühlen uns gut. Wie nehmen die Herausforderung im Süden an und werden nicht enttäuscht! Es reiht sich Bergsee an Bergsee, die wahlweise grün, türkis oder eisblau schimmern.
Doch wir müssen weiter, denn bis zum Passübergang am Piz del Prevat (5) sind noch einige Höhenmeter in weglosem Gelände zu meistern. Aber wir schlagen uns tapfer weglos durch die steile Flanke. Als wir schließlich den aussichtsreichen Pass erreichen, erschlägt uns das Panorama fast. Nach Osten wie nach Westen eröffnet sich eine feine Bergwelt, mittendrin der höchste Punkt der Schweiz, der Dufourspitze im Monte Rosa Massiv.
Auch der Abstieg fordert uns mit versicherten, steilen Passagen. Ich gebe zu, das war dann ziemlich zäh. Schließlich ist es nur noch ein kurzes wegloses Stück, ehe wir schließlich an der Alpe Zaria (6) auf einen einfachen Forstweg stoßen. Dieser bringt uns zurück in die farbfrohe Herbstlandschaft, welche überall mit gelben Lärchen geschmückt ist. Als wir schließlich Fusio (7) erreichen, sind wir ganz schön platt.
Tag 2 – von Fusio nach Bignasco
Dieser zweite Wandertag bietet uns statt viel Höhenmetern und spektakulären Naturlandschaften Kulturelles. Nein, keine Angst, es geht nicht ins Museum. Wir streifen an diesem Tag am Rand des Tals, meist etwas oberhalb, entlang, erreichen niedliche Bergdörfer mit typisch traditionellen Steinhäuser und alte, beeindruckende Steinbrücken. Es ist ein bisschen der Gegensatz zu gestern und genau deshalb so unglaublich schön. Bei unserer kulturellen Etappe starten wir früh in Fusio (1).
Ein schmaler, manchmal auch felsiger Höhenweg bringt uns aussichtsreich recht flott zur Kirche San Giovanni Battista (2). Die von einem bekannten Tessiner Architekten entworfene, moderne Kirche besteht aus Gestein der Gegend und musste die alte barocke Dorfkirche ersetzen, die durch eine Lawine im Jahr 1986 zerstört wurde. Diese Wanderung zeigt aber nicht nur Pracht. Vielmehr sehen wir wie einfach das Leben im Hinterland ist. Landschaftlich war die Tour dennoch ein Leckerbissen, auch wenn uns Weitsichten fehlten: Hier ragen niedliche Kirchen aus dem Tal, dort rauscht ein Wasserfall. Anderswo fließt die kristallklare Maggia durch Schluchten über die geschwungene Steinbrücken führen.
Unsere schmalen Pfade sind wunderschön, leiten uns mal an niedlichen Almen, mal an Kühen und Eseln vorbei und oft durch tolle, herbstliche Wälder. Ein bisschen ist es hier wie eine Mischung aus meinem Weitwanderweg letztes Jahr um diese Zeit, dem Via dei Monti Lariani am Comer See, verziert mit einer Prise slowenischem Soca-Feeling des Alpe-Adria-Trails. Wir erreichen schließlich die Ortschaft Peccia (3), kurz danach eine traumhafte Steinbrücke in der Nähe von Brontallo (4) und halten uns stehts links des klaren Flusses Maggia. Es ist eine gemütliche Etappe bis Bignasco (5).
Tag 3 – von Bignasco zur Alpe Spluga
Natürlich geht es am dritten Tag dieses Trekkings wieder in die Berge. Es ist zugleich die mit 1800 Höhenmetern im Aufstieg schwierigste Etappe der Weitwanderung. Wir müssen das Meiste ohne großartige Weitsicht meistern, denn der Sommer macht gerade zwei Tage Urlaub, bevor er uns fulminant am fünften Tage wieder begrüßt. Unser Weg kennt von Bignasco (1) aus eigentlich nur eine Richtung: hinauf. Zunächst geht es durch den Wald, später wird dieser lichter. Wir biegen schließlich an einer Weggabelung wieder nach links auf den schweren Bergweg Richtung Alpe Spluga.
Noch hält sich die Schwierigkeit des Weges in Grenzen. Wir erreichen schließlich kurz hinter einer kleinen Hütte einen in einer kleinen Senke liegenden Bergsee (2). Kurz darauf, nach der Umrundung des Sees startet das quälende Blockwerk hinauf zum Pass. Es ist hier herrlich einsam und wunderschön, einem anderen Menschen begegnen wir an diesem Tag nicht. Als wir schließlich die Bocchetta di Spluga (3) erreichen, wissen wir was wir getan haben. Der markierte Steig führte uns etwa 150 Höhenmeter durch blockige Steine. Auch beim nun folgenden Abstieg ist Klettern die Fortbewegungsform Nummer 1. Ich stelle mir lieber nicht vor, welch hervorragende Sicht wir wohl bei schönem Wetter gehabt hätten.
Auf dem Weiterweg von der Bocchetta di Spluga zur Alpe Spluga wandern wir auf einer wunderschönen Hochebene mit einem weiteren klaren See – es ist traumhaft. Von hier sind es nurmehr ein paar Meter ohne große Höhenunterschiede bis wir oberhalb der Alpe Spluga (4) ankommen und unserer wohlverdientes Übernachtungsziel endlich vor Augen haben. Die Selbstversorgerhütte umfasst mehrere alte Steinhäuser und ist ein wunderschönes Fleckchen für die Übernachtung!
Tag 4 – von der Alpe Spluga nach Maggia
Und zurück ins Tal! Was wir gestern aufgestiegen sind, gehen wir heute fast wieder hinab. Wer diese Etappe auslassen will, kann auch von hier bis zur Alpe Nimi (Übernachtung am 5. Tag) auf dem Alta Via Vallemaggia weiterwandern. Aber Achtung, der Weg ist schwer. Wir aber entscheiden uns – was dank regnerischem Wetter ohnehin die bessere Wahl ist – wieder ins Tal abzusteigen. Dazu führen grundsätzlich zwei Wege ins Tal. Wir entscheiden uns für den östlichen, etwas direkteren Weg von der Alpe Spluga (1) hinab.
Wir treffen recht rasch auf die typischen Treppenwege, die uns Stufe um Stufe bis zurück ins Tal bringen. Bei diesem nassen Wetter nicht unbedingt ein Genuss. Aber später kommt die Sonne doch noch raus und wir legen eine extralange Pause ein. Wir trödelten am Ende so lang, dass wir uns spontan entscheiden, ab Giumaglio (2) die letzte Stunde Fußweg zu sparen und den Bus zum Ziel Maggia (3) zu nehmen. Unsere geschundenen Knie sagen herzlichen Dank!
Tag 5 – von Maggi zur Alpe Nimi
Und wieder hinauf! Ein letztes Mal bei diesem Trekking müssen wir einen ordentlichen Anstieg hinauf bewältigen. Aber heute ist das überhaupt nicht schlimm. Die Sonne ist zurück, wir fühlen uns fit und freuen uns schon auf die Alpe Nimi. Dass diese Etappe landschaftlich eine Augenweide ist, hilft natürlich auch ein Bisschen. Mit dunstigen Nebelschleiern im Tal verlassen wir Maggia (1) und nehmen Stufe für Stufe hinauf. An einem kleinen Kirchlein (2), biegen wir nach rechts ab.
Höher und höher führt uns der Treppenweg durch den Wald, bis wir schließlich kurz vor Aiarlo auf einem Grashügel den perfekten Pausenplatz für eine extralange Mittagspause finden. Unsere Hosen sind mittlerweile kurz, das T-Shirt ist gegen das Fleece getauscht und wir machen das einzig Richtige an diesem Tag: Einfach nur rumsitzen, die Sonne und diese traumhafte Aussicht ins Maggiatal genießen. Und da hinten, zwischen zwei Bergen glitzert das erste Mal der Lago Maggiore, unser Ziel, in der Sonne. Ich hätte hier ewig sitzen können, hätte dann aber auch wirklich etwas verpasst.
Wir erreichen Aiarlo (3), eine kleine Ansiedlung von Steinhäusern. Aber es sind nur noch die Bergziegen hier, die uns neugierig beäugen. Ab hier schwenken wir auf einen famosen Panoramaweg mit immer besseren Aussichten auf den Lago, das Tal und diese feine Herbstlandschaft. Als wir erneut um eine Ecke biegen warten dort Ziegen auf uns. Ab hier sind wir nicht mehr allein unterwegs, denn es sind die Ziegen der Alpe Nimi, die uns in die Mitte nehmen. Wie ein vornehmes Geleit zum Ziel. So süß!
Begleitet vom Gebimmel unserer neuen Weggefährten erreichen wir die Ziegenlape. Die Alpe Nimi (4) muss mit Abstand der schönste Platz im Tessin sein. Der höchste und der tiefste Punkt der Schweiz, die Dufourspitze und der Lago Maggiore, in einem Panorama. Eine Ziegentränke in Form einer Badewanne lädt vielleicht im Hochsommer zum Baden ein – Ende Herbst ist das nur eine Option für die Hartgesottenen. Es ist trotzdem perfekt und unvergesslich hier. Vom Abend habe ich euch ja schon erzählt.
Tag 6 – von der Alpe Nimi zum Lago Maggiore
Doch der wunderschöne Abend sollte nicht alles sein. Auch der Sonnenaufgang war mindestens ebenso fantastisch. Während ich mich langsam aus dem warmen Schlafsack schäle, hüllen zarte blassrosa und gelbe Farben das Monte Rosa Massiv und den Lago Maggiore ein. Derweil blockiert eine Ziege die Toilettentür. Eiskaltes Wasser erlaubt nur eine Katzenwäsche. Was ich eben so unter traumhaft verstehe. Wir könnten von Der Alpe Nimi (1) noch etwas aufsteigen und den aussichtsreicheren Weg wählen. Ich brauche das nach diesem Abend und Morgen nicht mehr. Ich bin voll mit positiven Emotionen und der Gewissheit, dass es nicht besser werden wird.
Also wählen wir für unsere Schlussetappe den tieferliegenden Weg, der uns auf schmalen Pfaden durch welke Wiesen zu einem Aussichtspunkt über den Lago Maggiore (2) führt und unserem Ziel immer näherbringt. Es sind wirklich feine Panoramawege auf den wir uns „auslaufen“.
Der Weg führt uns nun wieder etwas mehr bergauf und wir erreichen schließlich unseren einzigen Gipfel auf dem ganzen Weg, den Madone (3), 2039 m. Wir werden noch einmal mit einem 360-Grad-Blick über den Lago Maggiore, das Monte Rosa Massiv und die umliegenden Tessiner Berge von dieser Welt verabschiedet – einfach ein toller Aussichtsberg! Nun geht es überwiegend hinab, bis wir schließlich die Cimetta (4) erreichen und uns mit der Gondel hinab nach Locarno am Lago Maggiore (5) bringen lassen.
Hinweise und Planungshilfen
Um mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, wählt man für die Anreise am besten den Bahnhof Faido. Von hier geht es mit dem Bus entweder nach Rodi oder Prato. Von beiden Orten kann man wunderbar in den Weg einsteigen. Wir hatten unseren Camper in Prato stehen, daher startet die Tour dort. Für den Rückweg fährt man von Locarno mit dem Zug nach Faido und wie oben beschrieben geht’s mit dem Bus zurück zum Parkplatz.
Orientierung
Einen Wanderführer zur Tour haben wir nicht dabeigehabt. Bei den Karten haben wir uns für die Kompas-Wanderkarte 110 Valle Maggia, Val Verzasca 1:40000 entschieden, die uns trotz etwas großem Maßstab gute Dienste erwiesen hat. Fehler habe ich keine entdeckt.
Grundsätzlich gilt für die ganze Tour: Die Markierungen zwischen den Wegpunkten (im Text fett und mit Zahl in Klammern) sind eine gute Orientierungshilfe und meist auch beschildert.
Übernachtungen auf dem Weg durchs Vallemaggia
Egal, was du für eine Hüttentour durchs Vallemaggia planst, wenn du dir einen Überblick über die Selbstversorgerhütten verschaffen willst, findest du bei Hütten im Tessin eine super Planungshilfe. Hier findest du nicht nur alle Infos über die Hütten, sondern auch alle Infos zur Buchung usw. Wer eine Hüttentour mit diesen Alpen plant, kann sogar recht günstig Urlaub machen, eine Übernachtung beispielsweise in der Alpe Spluga hat 25 € gekostet.
Villa Pineta / Tag 1 / Fusio
Niedliche kleine Pension mit gehobenen Zimmern, eigenem Restaurant und guter Küche. Zur Website
Pensione Ostello La Curva / Tag 2 / Bignasco
Wer schon mal eine/en Polen/in hat Fluchen gehört, wird die Ähnlichkeit zum Namen dieses Ostellos sofort bemerken. Leider passt das auch ganz gut zusammen… . Nur, wenn’s nicht anders geht.
Alpe Spluga / Tag 3
Wie schon beschrieben, eine ganz feine Selbstversorgerhütte, bei der ich die 25 € Übernachtung gern bezahlt habe. Alles vorhanden: Kochmöglichkeit, Ofen, Dusche, WC und sogar Licht. Empfehlenswert! Hier gibt’s mehr Infos zur Hütte.
Locanda Poncini / Tag 4 / Maggia
Kleine Pension im wunderschönen Maggia mit ordentlichen Zimmern. Zur Pension gehört auch ein nicht ganz günstiges Restaurant. Es gibt aber Alternativen in der Umgebung. Zur Website
Alpe Nimi / Tag 5
Zur Alpe Nimi ist eigentlichen alles gesagt. Für mich kann es kaum einen schöneren Ort zum Übernachten geben. Das liegt aber nicht an der tollen komfortablen Ausstattung, denn die ist bei der Lage und Gastlichkeit totale Nebensache. Hier wohnt man in einem einfachen Steinhaus, es gibt keinen Strom und auch sonst nicht viel, außer Ruhe, Ziegen und Natur. Mehr Infos gibt es hier.
6 Kommentare zu “Vallemaggia – 6 Tage durch’s herbstliche Tessin”
Liest sich toll- werde ich vllt dieses Jahr mit Mann und Hund schaffen 🙂
das hoffe ich für euch, die Tour ist einfach traumhaft 😉
Auf Rumänisch bedeutet „curva“ das Gleiche wie anscheinend im Polnischen.
Jetzt wollen wir natürlich alle hören, was dort so schlimm war. 😜
… nicht so schlimm, dass ich es nicht überlebt hätte, aber eben auch nicht wirklich etwas, an das man sich gern erinnert. Vermutlich machen es die hohen Übernachtungspreise in der Schweiz nicht besser. Da würde ich eigentlich keine 20 € für zahlen ;-). Ansonsten reicht die Botschaft, sich vielleicht lieber etwas anderes zu suchen.
Wie schaut es da mit zelten, Biwakieren aus ?
Wir sind Anfang Juni unterwegs und manche Hütten haben noch zu.
LG Sarah
Vielen Dank für den tollen Beitrag!
Um was für einen Raum handelt es sich beim separaten Raum auf der Alpe Spluga, in dem Hunde übernachten müssen?