
Mit Hund unterwegs – Tipps für den Tierkontakt bei Bergtouren
Kühe, Bären, Steinböcke, giftige Schlangen – man kann so einigen Geschöpfen bei Bergtouren begegnen. Für Wandernde mit Hund kann das durchaus auch schon mal problematisch werden. Wie man richtig reagiert.
Ich habe tatsächlich schon viele verrückte tierische Sachen erlebt. Bin einen Klettersteig gemeinsam mit Ziegen abgestiegen. Bin beherzt mit meinem Hund auf dem Arm über einen Fluss gesprungen, um einer Kontaktaufnahme durch Kühe zu entkommen. Habe nachts beim Pippimachen vor dem Camper einen Bären an mir vorbeihuschen sehen. Obwohl es huschen ehrlicherweise nicht so ganz trifft. Aber ich habe auch unzählige großartige Erfahrungen ohne Adrenalinkick am Berg mit Tieren machen dürfen. Mit Steinböcken am Zelt gemeinsam zu Abend gegessen zum Beispiel. Mir ist auch eine morgendliche Kuschelsession mit einem besonders zutraulichen Schaf in der Texelgruppe in Erinnerung geblieben und die vielen Ziegen, mit denen ich Freundschaft geschlossen habe. Die mag ich einfach ganz besonders gern. Ich könnte unzählige Geschichten von Mufflons, Wildschweinen, Gämsen und Murmeltieren erzählen. Das Einzige, was ich in freier Wildbahn noch nie gesehen habe, ist ein Wolf.
Wer in die Wildnis zieht, der tut das auch, um unberührte Natur mit seinen Bewohnern zu erleben. Und die findet man auch in den Alpen. Um Bären zu sehen, muss man nicht zwangsläufig nach Nordamerika reisen. Ja, ich höre die Frage. Nein, ich finde nachts im Zelt in den Bergen zu sein, nicht gefährlich. Unwohler fühle ich mich, wenn ich nachts durch eine dunkle Unterführung in einer deutschen Großstadt gehe. Ganz sicher bin ich auch, dass die Wahrscheinlichkeit vom Auto überfahren zu werden, sehr viel größer ist, als von einem Bären angefallen zu werden. Für mich ist Natur berechenbar. Natürlich schadet ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit und Vorsicht ganz sicher nicht. Wissen auch nicht. Dazu soll dieser Artikel beitragen.

Auch Almtiere begegnen uns bei alpinen Bergtouren. Manchmal in den abgelegensten, wildesten Winkeln der Bergwelt. Ziegen direkt am Gletscher in den Stubaier Alpen zum Beispiel. Oder Schafe an der Hochstubaihütte, die immerhin weit über 3000 Meter hoch gelegenen ist. Wer mit seinem Hund diese oder auch leichtere Touren unternimmt, sollte eines Wissen: Ein Hund an der Seite verändert manchmal alles. Ein Steinbock, der oft ohne Scheu auf die filmenden Menschen mit diesen rechteckigen Dingern in der Hand reagiert, kann sich von einem bellenden Hund mächtig provoziert fühlen.

Eine Mutterkuh, die unseren Liebling als gefährlichen Wolf sieht und nichts anderes im Sinn hat, als ihren Nachwuchs zu schützen, ist eines der gefährlichsten Tiere für Hundebesitzer. Ganz zu schweigen von Herdenschutzhunden, wie es sie vor allem in der Schweiz und in Italien gibt. Eine übersehene, sonnenanbetende Aspisviper, deren Schreckensbiss uns dank dicker Wanderschuhe nichts ausmacht, einem kleinen Hundling aber lebensbedrohlich schaden kann. Dieser Artikel soll keine Angst machen oder die Abenteuerlust dämpfen. Ich habe so viele alpine Kilometer mit Hund zurückgelegt und nie ist etwas passiert. Aber vielleicht auch, weil Wissen hilft.
Almtiere – auf Mutterkühe und Jungviecher achten
Ziegen, Schafe, Kühe, Esel, Pferde und zuweilen auch mal ein Alpenschwein – die almwirtschaftliche Nutzung ist nicht nur eine besonders schöne Form der Landschaftspflege, sondern bietet Bergsportler:innen auch mit Übernachtungsoptionen und Einkehrmöglichkeiten viele Vorteile. Wer in den Alpen unterwegs ist, wird zwangsläufig immer wieder – zuweilen auch sehr weitläufige – Almwiesen queren. Grundsätzlich geht von Weidevieh keine Gefahr aus. Allerdings ändert sich die Situation, wenn wir mit Hund unterwegs sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Wolf in allen Alpenländern wieder heimisch und eine reale Bedrohung für das Almvieh ist. Insbesondere für Mutterkuhherden, die durchaus aggressives Verhalten gegenüber Hunden zeigen können.
Gleiches gilt für neugieriges Jungvieh. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen an eine Situation in den Tuxer Alpen. Jungvieh in rauer Zahl stand auf einer umzäunten Weide, die wir zu überqueren hatten. Die Kühe standen im Saft, voller Neugier und Hormone machten sie unseren Hund aus und freuten sich sichtlich, dass wir nun bald die Weide betreten würden. Aggression hing in der Luft und die Weide war riesig, mindestens eine halbe Stunde ging es bergauf bis zum rettenden Ausgang. Was tun? Weiträumig umgehen als erste Maßnahme war schwierig, wir befanden uns im Truppenübungsgebiet, wo man die Wege nicht verlassen darf. Eine Ausweichroute gab es nicht. Ich telefoniere mit dem Hüttenwirt der Lizumer Hütte. Der hatte die rettende Idee. Wir sollten auf die große Wandergruppe warten, die auf dem Weg ist und den Hund in die Mitte nehmen. Gesagt, getan. Gut gegangen.
Im alpinen Gelände bewegen wir uns immer auch ein stückweit im Wohnzimmer von Almtieren. Daher begegnen wir ihnen am besten mit viel Respekt, ohne dabei panisch zu werden. Wie ein guter Gast in einem fremden Haus. Bei aller Wichtigkeit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, sollten wir nämlich nicht vergessen: Die meisten Weidetiere sind an Hunde gewohnt und zeigen vor allem in touristisch gut erschlossenen Gebieten keinerlei Interesse an unserem felligen Freund.
An diese Tipps sollten sich wandernde Hundebesitzer:innen halten:
- vor dem Betreten der Weide gut beobachten: meist erkennt man aggressive oder neugierige Kühe gut
- Abstand halten! Mutterkuhherden, sofern möglich, umgehen, zur Not auch abseits der Wege
- Hund an der kurzen Leine, abgewandt von den Kühen oder in der Mitte der Gruppe führen – Kühe haben schlechte Augen und bemerken den Hund so kaum
- der beste Schutz vor einem Kuhangriff ist ein unaufgeregter, gehorsamer Hund!
- Leine locker in der Hand halten, so dass wir den Hund bei einem Angriff loslassen können, er ist in der Regel schneller als die Kühe
- Hund bei einem Angriff niemals hochheben
- im Fall des Falles: Ruhe bewahren, Kühen nicht den Rücken kehren, Weide möglichst zügig, aber ruhig verlassen, im absoluten Notfall (Wander-)Stock heben und ggfls. auf die Nase schlagen
- grundsätzlich immer bedenken: eine Alm ist kein Streichelzoo! (Okay, eine Ausnahme sind Ziegen, wenn gegenseitige Sympathie vorhanden ist)
Herdenschutzhunde – nix zum Kuscheln
Durch die Rückkehr von Wolf und Bär in die Alpen, benötigen vor allen die freilaufenden Nutztiere wieder mehr Schutz. In der Schweiz sind für diesen Zweck etwa 300 Herdenschutzhunde auf gut 100 Schweizer Alpen im Einsatz. Auch in Italien sind Herdenschutzhunde beliebt. Zwar sind Herdenschutzhunde Menschen gegenüber normalerweise ungefährlich, aber auch hier mischen sich die Karten neu, wenn wir mit Hund unterwegs sind. Die großen, kräftigen Hunde sehen unsere Begleitungen durchaus als Gefahr und können ein starkes Abwehrverhalten zeigen. Die Hunde sind normalerweise während der gesamten Alpsaison (Mitte Mai bis Mitte Oktober) bei den Herden auf den Weiden.
Worauf wir achten sollten:
- Herdenschutzhunde nicht überraschen, bei Annäherung an eine Herde durch lautes Reden bemerkbar machen
- Hund an die Leine nehmen und niemals versuchen, eine geschützte Herde zu durchqueren
- ruhiges Verhalten zeigen
- Distanz zur Herde halten, weiträumig umgehen, eine Umkehr immer in Erwägung ziehen!
- Warnsignale der Hunde wie Bellen und Heraneilen respektieren, sich langsam zurückziehen
- Provokationen vermeiden, keinesfalls: Stock heben, herumfuchteln, schreien, in die Augen schauen, Rücken kehren
Auskunft über die Präsenz von Herdenschutzhunden auf Alpen in der Schweiz gibt es auf einer interaktiven Karte unter: www.herdenschutzschweiz.ch
Wildtiere – auf Abstand gehen
Grundsätzlich ist allein unsere Anwesenheit eine Störung für Wildtiere. Um die Auswirkungen gering zu halten, daher auf ausreichenden Abstand gehen, hastige Bewegungen sowie laute Geräusche (Ausnahme: Bärengebiet) vermeiden, den Tieren nicht folgen, sie nicht füttern und die kleinen Exemplare nicht aufheben. Wer auf verletzte oder scheinbar verlassene Tiere trifft, benachrichtigt am besten den nächsten Hüttenwirt, anstatt selbst einzugreifen. Und noch viel mehr gilt dies für uns Hundebesitzer:innen. Hunde sollte nur frei laufen dürfen, wenn wir sie auch bei Wildkontakt kontrollieren können.
Nicht nur von Nutztieren gehen Gefahren aus. Tauchen wir auf einer Hüttentour Tag für Tag tiefer ins Herz der Alpen ein, begegnen wir zwangsläufig nicht nur der schönen Welt des Gebirges, sondern sind vielleicht auch unerwarteten tierischen Begegnungen ausgesetzt. Vielleicht sind die Alpen nicht so wild wie andere Landstriche der Welt, auf Bären aber können wir allemal treffen. Im Trentino in Norditalien, dort vor allem im Adamello-Brenta-Gebiet und nordwestlich des Gardasees, gibt es eine stattliche Bärenpopulation. Vielleicht ist die Wahrscheinlichkeit einen zu Gesicht zu bekommen noch gering. Sich ihrer Anwesenheit bewusst zu sein, kann aber sicher nicht schaden. Ich habe etwa viermal einen Bären davonhuschen gesehen oder gehört.
Da einzelne Bären auf Wanderschaft gehen, können sie auch in anderen Regionen vorkommen. Die gute Nachricht: Bären leben wie Wölfe sehr zurückgezogen, meiden den Kontakt zu Menschen und suchen das Weite, wenn sie auf einen Menschen treffen. Zudem bevorzugen sie waldreiche Gebiete. Gefährlich werden Bären oder Wölfe in der Regel nur dann, wenn sie Jungtiere haben, verletzt sind, sich erschrecken oder sich bedroht fühlen.
Richtiges Verhalten bei Bären/Wolfskontakt:
- Überraschungsmoment verhindern: durch Reden, Singen und Lärm macht man einen Bären/Wolf in einsamen Waldregionen und an unübersichtlichen Stellen rechtzeitig auf sich aufmerksam, so dass er flüchten kann
- in Lebensräumen von Bären/Wölfen: Hund an der Leine führen
- auf Wegen bleiben
- keine Essensreste zurücklassen, auch keine Bio-Abfälle
- niemals einer Bären/Wolfsspur folgen
- bei Kontakt: ruhig bleiben, keine ruckartigen Bewegungen machen; mit lauter Stimme reden, aber nicht schreien; langsam rückwärtsgehen, nicht rennen, dem Bären/Wolf einen Fluchtweg lassen
- bei einem Angriff durch Bären: auf den Bauch legen und zeigen, dass man keine Gefahr ist
Grundsätzlich aber ist die Wahrscheinlichkeit auf kleinere Tiere, nämlich auf giftige Schlangen zu treffen, deutlich größer. Sie sind im Prinzip fast im gesamten Alpenraum anzutreffen. So treffen wir die giftigen Aspis-Vipern bis zu einer Höhe von 2500 Metern, die bekannteren Kreuzottern sogar bis 2700 Meter Höhe. Gut zu wissen: Schlangen sind generell scheue Tiere, die in der Regel bei herannahenden Schritten schnell das Weite suchen.
An kühlen Tagen finden sie sich allerdings häufig träge sonnenbadend direkt auf dem Weg liegend. Ein Schlangenbiss, bspw. wenn man auf die Schlange tritt, ist allerdings für den Menschen in der Regel eher unproblematisch. Vielmehr Gefahr geht für unseren Hund aus, der aufgrund seines geringen Gewichtes deutlich mehr Gift pro Kilo Körpergewicht abbekommt. Davor schützen können wir den Hund im Prinzip nicht, es sei denn wir lassen ihn die ganze Zeit hinter uns laufen oder führen ihn an der kurzen Leine. Es hilft, sich über Erste Hilfe Maßnahmen bei Schlangenbissen zu informieren.
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Kommentar zu “Mit Hund unterwegs – Tipps für den Tierkontakt bei Bergtouren”
Super. Wie und was Du da alles machst.
Weiterhin viel Erfolg und auch sehr viel Spaß.