Nordschweden: Kungsleden im Winter
Der Kungsleden ist Schwedens bekanntester Fernwanderweg und im Sommer oft stark frequentiert. Im Winter hingegen wird es ruhig – und arktisch kalt. Zuweilen bekommt man den Eindruck, nur echte Helden können im Winter in Nordschweden bestehen. Das stimmt nicht. Tipps, damit die Tour gelingt.
Trekkingtouren mit Zelt gehören für mich zu den liebsten Arten des Fernwanderns. Kein Wunder, dass mich die skandinavischen Länder mit ihrem Jedermannsrecht seit je her reizen. Doch im Sommer konkurrieren sie mit den Alpen – und ziehen regelmäßig den Kürzeren. Irgendwann schoss es mir in den Sinn: „Dann machst du das halt mal im Winter mit Ski“. Gesagt. Getan. Auf dem Weg von der Idee zur Umsetzung gab es aber noch so einige Knoten in meinem Kopf zu lösen. Danach startete ich in eines der besten Winter-Abenteuer meines Lebens. Auch wenn die Bedingungen zuweilen widrig waren, es war eine absolut entschleunigende Tour voller herrlicher winterlicher Impressionen. Aber sie war weniger schwer als gedacht und brachte mich nur selten wirklich aus meiner Komfortzone. Dennoch lehrte mich Nordschweden im Winter auf seine Weise Demut und Durchhaltewillen, ließ mich aber mit dem wunderbaren Gefühl zurück, dass die Realität weniger furchtbar ist, als zu Hause auf dem Sofa zusammengesponnene Horrorszenarien.
Jede Reise – egal ob es die erste Wintertour in Schweden mit Ski ist, die erste Wanderung allein oder die erste alpine Hüttentour – beginnt mit einem ersten Schritt und vielen Fragen. Die wichtigsten zum Kungsleden im Winter will ich in diesem Artikel beantworten:
1. Kungsleden im Winter – frostige Schönheit
2. Die Route im Winter: Orientierung & Co.
3. Hütte oder Zelt?
4. Tourenski, Schneeschuhe oder Langlaufski?
5. Eine störrische Pulka names Paris
6. Packliste für den Kungsleden im Winter
7. Arktische Herausforderungen
8. Mit Hund auf dem Kungsleden im Winter
9. Aurora – Polarlichter sehen
10. Anreise & Planungshilfen
Kungsleden im Winter – frostige Schönheit
Es gibt viele Gründe, im Winter auf den Kungsleden zu gehen. Einer davon ist die landschaftliche Schönheit. Schwedens längster und bekanntester Fernwanderweg führt durch Lappland, also grob vereinfacht gesagt durch die dünnbesiedelte Gegend nördlich des Polarkreises. Es liegt auf der Hand, dass es hier im Winter nicht nur kalt ist, sondern auch meterhoch Schnee liegt. Wenn wir am zweiten Tag unserer Tour ins Fjell (auch Fjäll) – also in die Berge und Hochflächen jenseits der Nadelwaldgrenze – gelangen, treffen wir auf sehr viel arktische Wildnis und nur äußerst selten auf Menschengemachtes. Die endlose Weite strahlt etwas Magisches aus. Die Berge überschreiten hier nur selten die 2000-Meter-Marke, zeigen sich hügelig und nur sehr selten schroff. Sie säumen unseren Weg, wenn wir in den Hochtälern unsere Spuren im Schnee ziehen, geben uns Orientierung, ja, fast so etwas wie Halt in dieser Schneewüste.
Die Landschaft ist bei Weitem nicht so spektakulär wie in den Alpen. Muss sie aber auch nicht. Vielmehr wirken die Bergriesen mit dieser dicken Schneeschicht sanft und anmutig. Es dominiert die Farbe weiß – meist auch am Himmel, was eine Herausforderung für sich ist (dazu später mehr). Wir fühlen uns beim Durchstreifen dieser Weite wie kleine Ameisen, wie müssen sich da die kleinen Lemminge fühlen, die uns hier und da an einem Stein begegnen? Der Weg verläuft außerdem an der Südostgrenze des Sarek Nationalpark, der oft liebevoll als „letzte Wildnis Europas“ bezeichnet wird. Kurzum: Wer auf den Kungsleden im Winter aufbricht, muss die Einsamkeit mögen.
Es wäre aber auch zu einfach den Kungsleden als weiß-blaue Schönheit zu bezeichnen. Denn in den Tagesrandzeiten bietet sich uns dann doch eine Farbpracht – gutes Wetter vorausgesetzt. Einzig wer hier war, weiß was eine blaue Stunde tatsächlich ist. Wenn das blaue Lichtspektrum am Himmel dominiert, sich Wolken rosa färben und der Atem beim Betrachten kondensiert, sind das die besonders schönen Momente. Und dann ist da ja noch die Nacht. Wenn die einzige Lichtquelle weit und breit die Kerze auf dem Tisch in der Hütte ist, weiß man das erste Mal, was Nacht wirklich bedeutet. Sterne in einer schier unglaublichen Vielzahl, so hell wie sonst nie. Und wer in der Kälte ausharrt, kommt auch in den Genuss, Polarlichter zu sehen. Das ist ein unvergessliches Spektakel, wenn die grünen Lichter am Himmel tanzen.
Die Route im Winter: Orientierung & Co.
Der nördliche Kungsleden führt auf insgesamt 440 Kilometer durch Nordschweden. Wir beschränken uns bei diesem Winterabenteuer auf die ersten Etappen und legen 109 Kilometer zurück. Die Etappen haben wir bewusst kurz gehalten, weil es die erste Skidurchquerung dieser Art für uns war. Oft waren wir bereits mittags auf der Hütte, was uns aber nicht sonderlich gestört hat. Außerdem hatten wir einen Pausentag eingeplant, was aufgrund des unwirtlichen Wetters goldrichtig war. Einige mussten tatsächlich ihre Tour abrechen, weil sie keinen Puffertag einkalkuliert hatten. Die Kürze der Etappen hat hier noch den Vorteil, dass man – wenn das Wetter an mehreren Tage nicht mitspielt – zwei Etappen zusammenlegen kann und es dennoch noch rechtzeitig zum Endpunkt schafft.
Die Etappen
Die hier angegebenen Zeiten sind unseren tatsächlichen Gehzeiten auf dem Kungsleden gewesen. Es hängt aber extrem von den Bedingungen (Gegen- oder Rückenwind, Schneesturm, eisige Verhältnisse) ab, wie schnell man unterwegs sein kann. Wir haben einmal tatsächlich das Glück gehabt (Etappe 6), dass uns am Pass ein starker Wind um die Nase pfiff und wir Rückenwind hatten. Rasch zogen wir die Felle von den Ski und stellten uns einfach nur hin – den Rest machte der Wind. So wurden wir regelrecht ins Tal gepustet und mussten eigentlich nichts machen, außer hin und wieder die Körperfläche durch’s Ausbreiten der Arme zu vergrößern. Also: Die Zeiten sind mit Vorsicht zu genießen, bieten aber sicher eine grobe Orientierung.
Ausgangspunkt | Endpunkt | Strecke | Aufstieg | Abstieg | Dauer | |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Abisko | Abiskojaure | 15.6km | 170m | 50m | 6:30 |
2 | Abiskojaure | Alesjaurestugorna | 21.8km | 440m | 190m | 10:00 |
3 | Alesjaurestugorna | Tjäktjastugan | 12.8km | 310m | 90m | 6:00 |
4 | Tjäktjastugan | Sälkastugorna | 13.0km | 350m | 540m | 3:30 |
5 | Sälkastugorna | Signistugorna | 11.4km | 90m | 190m | 4:15 |
6 | Signistugorna | Kebnekaise Fjällstation | 15.2km | 320m | 320m | 3:45 |
7 | Kebnekaise Fjällstation | Nikkaluokta | 19.5km | 60m | 220m | 5:00 |
Gesamt | 109km | 1720m | 1610m | 7Tage |
Beste Reisezeit
Wer auf den Kungsleden im Winter aufbrechen will, sollte sich natürlich über die beste Zeit Gedanken machen. Die meisten empfehlen den Kungsleden im März. Die Temperaturen sind dann meist schon etwas milder, als im Januar und Februar und die Tage sind mit fast 12 Stunden recht lang. Willst du in den Hütten übernachten, beachte, dass sie etwa von Mitte Februar bis Ende April geöffnet haben. Infos zu den Öffnungszeiten gibt es beim STF – Svenska Turistföreningen. Und die ganz Cleveren checken vor der Reiseplanung zudem noch die Skiferien der Schweden (eine Woche im Februar bis März) und schauen auch noch, dass sie nicht unbedingt bei Vollmond, sondern besser bei Neumond unterwegs sind – dann sieht man nämlich die Polarlichter besser.
Der Routenverlauf
Download: GPX Kungsleden im Winter
Wintermarkierungen auf dem Kungsleden
Wer im Sommer auf dem Kungsleden wandert, mag kopfschüttelnd an den roten Kreuzen vorbeiwandern, die so überdimensioniert alle paar Meter den Weg markieren. Wer wie wir bei verbesserungswürdiger Sicht unterwegs ist, weiß das hingegen sehr zu schätzen. Wenn man im sogenannten Whiteout – wenn bei schneebedecktem Boden auch noch der Himmel durch Schnee oder Nebel weiß erscheint – in der dann völlig kontrastarmen Umgebung unterwegs ist, findet man in den Kreuzen nicht nur einen wichtigen Fixpunkt, sondern auch die einzige Möglichkeit zur Orientierung.
Wir hatten es tatsächlich einmal, dass wir an einem Schild stehend nicht mehr das nächste sehen konnten. Es ist unglaublich wie orientierungslos das macht. Irgendwann weiß man kaum mehr, aus welcher Richtung man gekommen ist. Da wir zu zweit unterwegs waren, blieb einer am Kreuz und der andere ging ein paar Meter, bis er das nächste Kreuz entdeckte. Dann wurde aufgeschlossen. Das ist mühsam, aber die einzige Option, wenn man überhaupt noch vorankommen will. Aber das war nur ein kurzes Stück und es bleibt: der Kungsleden ist im Winter hervorragend markiert.
Hütte oder Zelt?
Du denkst dir gerade, was ist denn das für eine Frage? So abwegig dir das Zelten bei eisiger Kälte vorkommen mag, es gibt tatsächlich Viele, die auch im Winter mit dem Zelt unterwegs sind. Ich finde das ebenfalls sehr reizvoll, habe mich aber für die erste Tour dieser Art für die Hüttenübernachtungen entschieden. Es gab so viele Unbekannte für mich, dass ich wenigstens die Gewissheit brauchte, ein warmes Plätzchen am Abend zu haben. Außerdem waren mir die Anforderungen an die Ausrüstung zu hoch. Auch, wenn du dich für das Zelt entscheidest, bietet der Kungsleden im Winter alle Sicherheit, weil du bei widrigen Bedingungen auf die Hütten zurückgreifen kannst.
Die Hütten selbst sind wirklich lauschige Plätze im Winter und wahre Zufluchten. Es sind jedoch Selbstversorgerhütten, auch wenn zu den Öffnungszeiten ein Hüttenwart anwesend ist. Sie bestehen meist aus mehreren kleinen Hütten mit vielen Schlafplätzen. Es gibt keinen Strom und auch kein fließendes Wasser. Geheizt wird mit dem Holzofen, für den du im Holzschuppen selbst Holz machen musst. Gekocht wird auf Gaskochern, das Wasser holst du bestenfalls aus dem nahegelegenen Eisloch mit Kanistern. Ja, wenn es denn frei ist. Wir haben an einer Hütte vergeblich eine Stunde versucht nach Neuschnee und Eisregen das Wasserloch freizubekommen. Wir haben fast zwei Meter tief geschaufelt und geflucht. Am Ende haben wir das Unterfangen abgebrochen, zu gefährlich wäre es, wenn hier einer ins Loch rutscht. Aber es gibt ja weit und breit genügen Wasser in kristalliner, weißer Form von Schnee, was man schmelzen kann.
Etwa jede zweite Hütte auf dem Kungsleden verfügt übrigens über eine wohltuende Sauna. Wasser und Holz musst du selbst zur Sauna transportieren. Neben der Sauna gibt es dort auch warmes Wasser zum Waschen. Das ist tatsächlich purer Luxus, den ich – obwohl kein Fan der Schwitzbude – sehr zu schätzen wusste. Und sich jeden zweiten Tag ein wenig sauber zu fühlen, macht was her. Die Hütten müsst du übrigens sauber hinterlassen. Dein Essen bringst du selbst mit, kannst aber etwa jeden zweiten Tag im kleinen Hüttenshop zur Not Vorräte auffüllen.
Tipp: Eine Mitgliedschaft im STF – Svenska Turistföreningen lohnt sich finanziell auf jeden Fall. Du kannst noch in der Fjällstation in Absiko Mitglied werden und von den Vorteilen profitieren. Aktuell (seit Corona) sollte man die Hütten übrigens vorbuchen. Wenn du dein Ziel aber bspw. wegen des Wetters nicht erreichst, kannst du die Buchung problemlos auf eine andere Hütte übertragen.
Tourenski, Schneeschuhe oder Langlaufski?
Du denkst ich kann atemberaubend gut Skifahren? Das freut mich. Kann ich aber nicht. Tatsächlich hab ich erst wenige Wochen zuvor nach 20 Jahren das erste Mal wieder auf Ski gestanden. Der Kungsleden ist im Winter ein sanfter Weg, mit nur moderaten Steigungen und ohne wirklich technische Herausforderungen. Die meiste Zeit ist man ohnehin am Skiwandern, hat also die Felle unter den Ski. Bei den Abfahrten hast du alle Optionen: fahren, Felle dran lassen und gleiten oder die Pulka zum Schlittenfahren nutzen. Das mag hier und da komisch aussehen, aber es ist ja niemand da, der dich sieht. Nach 109 Kilometern kann ich sagen: Irgendwie kommt man da schon die Hügelchen hinab.
Wir haben uns übrigens für alpine Tourenski entschieden – nicht unbedingt die perfekte Wahl für den Kungsleden, denn die starren Tourenschuhe sorgten für so manche Blase. Die Schuhe sind einfach nicht für’s Geradeausgehen gemacht. Allerdings hatten wir arg mit Eisregen auf dem Weg zu kämpfen, der statt pulvrigem Schnee, harsche Eisplatten hinterlassen hat. Dafür waren die alpinen Tourenski gar nicht mal so schlecht. Kurzum: Es geht, ist aber nicht ideal. Besser wären sogenannte Backcountry-Ski, eine besondere Form des Langlaufski, perfekt an Fjell-Bedingungen angepasst. Auch hier steigt man mit Fellen auf, die man zur Abfahrt abziehen kann. Sie sind etwas breiter und geben im ungespurten Schnee einen guten Auftrieb. Grundsätzlich kann man natürlich – einigermaßen moderate Schneebedingungen vorausgesetzt – auch mit Schneeschuhen auf dem Kungsleden im Winter laufen. Die erfordern aber eine gute Kondition, falls es eben ordentlich Neuschnee gibt und es gilt auch zu bedenken, dass man auch den Abstiegsweg laufen muss.
Eine störrische Pulka names Paris
Die letzte Grundsatzfrage, die du dir stellen musst, bevor du auf den Kungsleden im Winter gehst, ist: Rucksack oder Pulka? Ich würde sagen, die Lager sind ziemlich ausgeglichen. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Ein Rucksack, ist natürlich mit der ganzen Winterausrüstung und dem Essen schwer, was bei tiefem Schnee oder auch bei der Abfahrt so seine Nachteile mit sich bringt. Aber du bist vom Platz her limitiert, nimmst also nur das Nötigste mit und auch die Anreise ist mit Rucksack deutlich einfacher. Wir haben uns zu zweit für eine Pulka und kleine Rucksäcke entschieden. Ohne das andere ausprobiert zu haben, würde ich das wieder so machen – obwohl zwei kleinere Pulken vielleicht sogar besser wären. Dennoch war das Ziehen des Gepäcks von zwei Personen – wir hatten zu zweit mit Essen für 10 Tage etwa 35 Kilo – mit der Pulka wirklich kein Problem.
Die Zugfahrt mit Pulka war hingegen einigermaßen aufwändig und wir kassierten auch einige verwunderte Blicke – immerhin sah es zuweilen so als, als würden wir eine Leiche überführen. Aber ab Stockholm, als wir in den Nachtzug nach Nordschweden saßen, waren wir schlagartig in bester Gesellschaft vieler anderer Pulka-Träger. Auf der Rückreise transportierte ich die (dann aber leichte) Pulka auch allein im Zug, es geht also. Auf dem Weg ist die Pulka dann leichter zu transportieren, als der schwere Rucksack. Ob man die Pulka besser am Seil oder mit Zugestänge zieht, ist ebenso so eine Glaubenssache. Wir haben uns fürs Seil entschieden.
Das Ziehen am Seil ging grundsätzlich ziemlich gut, nur bergab rauscht sie dann gern mal in die Haxen. Ich habe verschiedene Strategien auf dem Weg ausprobiert, um meine Pulka zu bändigen. Anfangs habe ich noch versucht immer schneller zu sein als die Pulka. Ehrlicherweise war das nur von mäßigem Erfolg gekrönt und ich war dankbar über meine schweren Skistiefel, die den Aufprall abgefangen haben. Meine erfolgreichste Strategie war es die Pulka ins Fuß zu nehmen, da hab ich ja mit Lotte ohnehin Übung drin.
Den meisten Spaß aber hatte ich, als ich auf der Pulka wie mit einem Schlitten hinab gesaust bin. Dennoch bleibt die Pulka ein störrischer Begleiter, die grundsätzlich rechts fährt, wenn du sie links erwartest, bremst, wenn sie fahren soll und auch sonst immer für eine Überraschung gut ist. Jemand auf der Hütte sagte uns schließlich, man solle der Pulka einen Namen geben. Warum? Man könne sie dann besser beschimpfen. Gesagt, getan. Fortan tauften wir sie Paris. Ich gebe zu, das ist nicht sonderlich kreativ, weil ihr Produktname so lautet.
Unsere störrische Paris hat uns übrigens Bloggerkollege Malte von Winterfjell freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Er bietet auch sonst wenige Pulken zum Verleih an. Wenn du rechtzeitig planst, kannst du Glück haben und eine ergattern. Maltes Blog solltest du aber ohnehin einen Besuch abstatten, denn seine detailreichen Tipps zu Allem rund um winterliche Fjelltouren sind wirklich Gold wert! Hier geht’s zum Blog: www.winterfjell.de
Packliste für den Kungsleden im Winter
Auch, wenn es bei dem Transport des Gepäcks mit der Pulka nicht auf das letzte Gramm ankommt, grundsätzlich solltest du ausgesprochen gewichtssparend unterwegs sein, denn je weniger Gepäck du dabei hast, desto mehr Freude wirst du beim Skiwandern haben. Mein Gepäck in der Pulka machte etwa 15 Kilo aus, plus noch etwa 9 Kilo an Dingen, die ich am Körper hatte. Natürlich bin ich in Sachen Minimalismus bei meinen vielen alpinen Trekkingtouren grundsätzlich schon sehr ultraleicht unterwegs. Zur Orientierung, hier meine Packliste:
am Körper | Ausrüstung | Klamotten | Kosmetik | Essen |
---|---|---|---|---|
Rucksack (1050g) | Tragegurt für Ski (50g) | T-Shirt (200g) | Handtuch (95g) | Abendessen 9x (1800g) |
Skistöcke (400g) | Daunenschlafsack (950g) | Regenjacke (525g) | Seife/Deo/ Creme (75g) | Kaffee 10x (200g) |
Ski+Bindung (2575g) | Lawinenschaufel (440g) | Isolationsjacke (588g) | Zahnbürste (10g) | Riegel 15x (450g) |
Tourenschuhe (2840g) | Biwaksack (350g) | Gletscherhose (470g) | Zahnpasta (60g) | Mittag (2x Brotkorb +Käse) 9 x (1350g) |
Felle (600g) | 1. Hilfe Set (200g) | Regenhose (246g) | Sonnencreme (64g) | Ernergiedrink 8x (240g) |
Leggings dick (240g) | Kabelbinder (50g) | Slips 3x (126g) | Tempo/ Hygieneartikel (52g) | Rum (500g) |
Rock (150g) | Gaffaband (100g) | Socken dick 2x (162g) | Bürste (50g) | Nüsse (350g) |
Merino dünn (158g) | Taschenmesser (30g) | Unterhemd (200g) | Nagelschere/ Pinzette (27g) | Süßes (180g) |
Merino dick (532g) | Thermoskanne 500g) | Badesachen (100g) | Rasierer (20g) | |
Fleece (446g) | Stirnlampe (74g) | dicke Handschuhe (216g) | ||
Weste (250g) | Sonnenbrille (29g) | Sturmhaube (50g) | ||
Socken (100g) | Skibrille (125g) | Schuhe (920g) | ||
Buff (159g) | Kleber/Wachs (140g) | |||
Stirnband (54g) | Sitzkissen (20g) | |||
Handschuhe (57g) | Packsäcke (50g) | |||
Kamera (350 g) | Wanderkarte (100g) | |||
Power Bank (350g) | ||||
Ladekabel / Ersatzakku (140g) | ||||
7.4 kg | 3.7kg | 3.8kg | 0.5kg | 5.1kg |
Da wir auf unserer Tour recht milde Temperaturen hatten, habe ich tatsächlich die ganzen dicken Sachen nur einmal bei Schneesturm gebraucht. Auch da war noch Reserve in der Pulka. Daher hätte es mit dieser Packliste auch noch deutlich kälter werden können. Ändern würde ich beim nächsten Mal kaum etwas.
Arktische Herausforderungen
Was die schwierigste Herausforderung auf dem Kungsleden im Winter war? Nein, das war nicht unsere störrische Pulka und auch nicht die Kälte. Zumal es bei unserer Tour für die Jahreszeit mit Tagestemperaturen knapp unter null auch eigentlich viel zu warm war. Der größte Feind ist tatsächlich der Wind – und die Blasen an meinen Füßen. Wenn über dir strahlender Sonnenschein ist, Orkanböen jedoch Meterhoch den Schnee verwehen und dir senkrecht die kleinen Eissplitter ins Gesicht peitschen, das ist heftig. Zumal ohne blauen Himmel das Ganze im unangenehmen Witheout endet. Dann gibts keine Kontur mehr, keinen Horizont und nur mit Glück lässt sich das nächste rote Kreuz erkennen. Manchmal auch nicht. Mein Gleichgewichtssinn hat mich dann ein ums andere Mal im Stich gelassen. Ich stehe auf der Stelle und mein Gehirn denkt, ich fahre schon. Oder umgedreht. Manch einer fällt dabei auch wie aus dem Nichts einfach um. Das ist wirklich irre.
Unsere härteste Etappe war der zweite Tag mit heftigsten Böen und starkem Gegenwind – 22 Kilometer lang. Da flüsterte mir meine Mitwanderin auch schon mal zu „Ich bin am Arsch“ – Halleluja. Ich schrieb über diesen Tag:
„Nach dem ersten Drittel der Strecke nimmt der Sturm zu, peitscht uns die kleinen Eiskristalle waagerecht ins Gesicht. Das heißt: ab jetzt kämpfen wir mit Gegenwind und alles um uns herum ist Weiß. Mit Müh und Not erkennen wir gerade so die roten Markierungs-Kreuze und schaffen es bis zu einem Shelter. Kurze Pause, warmer Tee, etwas Essen. Noch liegen 9 Kilometer vor uns. Der Sturm nimmt noch zu, es fällt schwer nach der Pause das Shelter überhaupt zu verlassen, ohne davongepustet zu werden. Die letzten Kilometer zehren an mir, die Blasen an den Füßen schmerzen und ich muss die Zähne zusammenbeißen. Ich sehe schließlich die Hütte, aber sie will einfach nicht näher kommen. Zwei lange Stunden lang! Ich verfluche kurzerhand diese Weite. Sechs Kilometer sehen hier aus wie zwei. Zu allem Überfluss fühlt sich die Pulka auch noch doppelt so schwer an wie am Morgen.“
Aber wir haben es geschafft. Der Stolz darüber stellt sich rasch ein. Auch wenn diese Etappe durchaus unser Durchhaltevermögen gefordert hat, bleibt zu sagen, dass man kein Held sein muss, um im Winter durch Schwedisch Lappland zu gehen/fahren. Mit guter Planung, der richtigen Ausrüstung, genügend Zeit und ein bisschen Mut, ist der Kungsleden im Winter gut zu meistern. Am nächsten Tag legten wir übrigens zwangsweise einen Pausentag ein. Warnstufe orange – Fjelltouren sollte man dann nicht unternehmen. Unsere blasengeschundenen Füße sagen Danke. Dass das aber auch sonst eine gute Idee ist, wird uns schnell klar. Wir nennen den Gang zum WC charmant „Expedition Toilettengang“ und das ist wahrhaftig nicht übertrieben. Nur mit allen Klamotten die ich habe, Skibrille und Wanderstöcken schaffe ich die 200 Meter bis zur Toilette, manch einer geht dabei sogar mehrfach auf Tuchfühlung so stark ist der Sturm. Bevor es losgehen kann, muss man aber Freischaufeln, denn durch die Ritzen der Toilette dringt immer Schnee ein. Einmal sitze ich dort und der Wind hebt tatsächlich den Riegel an und reißt die Tür auf – ich muss immer noch Lachen, wenn ich daran zurückdenke.
Mit Hund auf dem Kungsleden im Winter
Grundsätzlich kann man auch seinen geliebten Vierbeiner mit auf den Kungsleden im Winter nehmen. Die Hütten haben alle Hundezimmer, wo der besten Freund mit übernachten kann. Ich hatte nach gründlicher Abwägung entschieden, dass mein alter Wanderhund besser daheim bleibt. Sie mag im Alter einfach die Kälte nicht mehr so gern und auch die lange Zugfahrt hätte ihr wenig Freude bereitet. Wäre Lotte ein paar Jahre jünger gewesen, hätte sie aber wohl ihre Freude am Weg gehabt. Auf dem Blog Winterfjell gibt ein paar ziemlich nützliche Infos zum Thema: Wintertour mit Hund
Aurora – Polarlichter sehen
Es ist das Highlight einer solchen Tour. Polarlichter. Wir hatten sogar dreimal das Glück, einmal zeigte sich die Aurora sehr schwach, ein anderes Mal nur kurz und einmal in voller Pracht – bestimmt eine Stunde lang. Grundsätzlich weiß man nie, wann die Polarlichter erscheinen. Man könnte auch sagen: Polarlichter muss man sich verdienen. Was so romantisch auf den Fotos aussieht, haben wir uns hart erarbeitet, oder sollte ich sagen erzittert? Wer auf Nummer sicher gehen will, wird tatsächlich bei gutem Wetter viele Stunden in der Kälte ausharren müssen. Oftmals sind sie nämlich nur ein paar Minuten am Himmel zu sehen. Nur wer lange in der Kälte (und dem Wind) ausharrt, hat eine Chance sie zu sehen. Sie kommen nicht nach Zeitplan, sondern wann sie wollen. Das kostet Überwindung, wenn in der Hütte das Feuer prasselt.
Das schönste Polarlicht haben wir an der Sälka-Hütte gesehen. Es war eher ein Bauchgefühl sich noch Mal in die Kälte zu wagen. Wir bibberten, zitterten und ich spürte die Hände kaum noch, als sie schließlich erst schwach, dann immer mehr und intensiver auftauchten und schließlich fast den gesamten Himmelsbogen abdeckten. Ein absolut fantastisches Naturschauspiel, dass ich sicher nicht vergessen werde. Die Bilder sind übrigens nicht bearbeitet, aber so intensiv wie auf den Fotos war die Aurora letztendlich nicht. Die Kameras verstärken die Farben. Dennoch ein einmaliges, frostiges Erlebnis.
Anreise & Planungshilfen
Ein paar wichtige Fragen, konnte ich dir mit diesem Artikel vielleicht schon beantworten. Wenn du dich selbst auf das Abenteuer Kungsleden im Winter machen willst, wirst du noch hier und da etwas recherchieren müssen. Wie schon geschrieben, ist der Blog Winterfjell eine große Hilfe. Einen speziellen Winterführer für den Kungsleden gibt es meines Wissens nach nicht. Aber eine gute Karte, die auch mit einem Begleitheftchen geliefert wird: Abisko Kebnekaise Kungsleden 1 1:50 000: Kungsleden Map & Guide. Wer sich grundsätzlich ins Wandern in Nordskaninavien einlesen will, dem empfehle ich das Buch Wanderwege Nordskandinavien
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Ich habe die Etappen auf dem Kungsleden aufgezeichnet und bei Komoot hochgeladen. Dort kannst du dir nicht nur weitere Bilder anschauen und meine Tagesberichte lesen, sondern dir die Collection abspeichern. Du siehst dort, in welchen Hütten wir geschlafen haben und kannst die Tour einfach mit den Tracks nachlaufen. Zur komoot-Collection
Übrigens: plane damit, dass du ab dem 1. Tag kein Handyempfang auf dem Kungsleden hast. Erst ab der Kebnekaise Fjällstation hast du wieder Netz. Wer mit dem Handy navigiert muss sich unbedingt die Offline-Karten herunterladen!
Anreise: Angereist bin ich übrigens mit dem Zug von Hannover über Kopenhagen nach Stockholm und von hier mit dem Nachtzug nach Abisko. Das dauert, ist aber eigentlich nicht schlimm und vor allem eine klimaschonende Alternative. Der Rückweg erfolgt genau umgekehrt. Mit dem Bus geht von Nikkaluokta (nur 1 x am Tag 12:00, Stand 2022) nach Kiruna und von hier mit dem Nachtzug nach Stockholm.
Du hast noch Fragen, die ich nicht beantwortet habe? Dann schreib mir gern einen Kommentar und ich beantworte sie.
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8 Kommentare zu “Nordschweden: Kungsleden im Winter”
„Du hast noch Fragen, die ich nicht beantwortet habe?“
Ja, ganz viele. 🙂
„Nach dem ersten Drittel der Strecke nimmt der Sturm zu, peitscht uns die kleinen Eiskristalle senkrecht ins Gesicht.“ — aus deinen Notizen zum Sturmstart. Meinst Du eventuell „waagerecht“? Weil senkrecht ist von oben nach unten oder umgekehrt.
Ansonsten unterhaltsam geschrieben.
Ab und lese ich ja auch mal bei Twitter von deinen Touren.
Schöne Grüße, auch an Lotte.
Hey Markus,
wie schön, dass du meinen Beitrag soooo gründlich gelesen hast, das nehme ich mal als Lob 😉 Danke für den Hinweis, hab ich geändert!
Liebe Grüße
Romy
Hallo Romy.
Danke für deinen super Blog.
Frage: Kann es sein, dass auf deinen GPX-Daten nur eine Etappe drauf ist?
Gehen nächste Woche los und auf meinem Gerät erscheint nur eine Etappe.
Danke für die Hilfe.
Hey Andy,
es ist ein Track, der aber die gesamte Route beinhaltet. Vielleicht hat dich das irritiert? Auf Komoot findest du auch die Einzeletappen als eigene GPX-Dateien.
Ich wünsche viel Freude bei diesem Abenteuer!
Liebe Grüße
Romy
Hi!
Super Bericht!
Bei uns geht es am 25.03. los!!
Wir freuen uns schon riesig.
Danke für die ganzen Infos, für uns ist es die erste Tour bei solchen Temperaturen!
Grüße
Thomas
Danke Thomas! Freue mich sehr, dass euch die Infos gut geholfen haben. Ich wünsche euch eine tolle Tour mit vielen Schönwetterstunden!
Liebe Grüße
Romy
Ein toller Bericht!
Ich überlege gerade, ob ich für eine längere Tour nach Schweden gehe. Nachdem eigentlich Juni/Juli/August geplant war und das nicht klappt, denke ich über die Wintermonate nach, Dez/Jan/Feb. Soweit nach Norden würde ich mich allerdings nicht trauen. Mich erklärt ausnahmslos jeder für verrückt, aber ich würde es mir eigentlich zutrauen. Und meinem Hund auch =) insofern macht mir das Mut, dass ihr sogar den Kungsleden im Winter gemacht habt, dann müsste ja wohl Südschweden im Winter allemal drin sein ; ) lg
Wir waren vor einigen Jahren mit 6 Personen, 3 Huskys, 3 x Pulka auf der selben Tour. 3 Tage davon waren wir im von Dir beschriebenen Schneesturm (fast keine Sicht, Sturm frontal) unterwegs.Der eingeplante Reservetag war nicht ausreichend,Tickets gebucht. Wir mussten also weiter( trotz teilweise massiver Probleme mit den Füßen). 2 Tage lang hatten wir einen Begleiter, der alleine unterwegs und völlig am Ende war. Die letzten 2 Tage mit besserer Sicht, zeitweise Sonne, waren wunderbar.
Nachträglich haben wir uns gefragt, ob Jede Hütte mit einem Hüttenwart und Satellitentelefon bzw. Snowmobil für einen Notfall ausgerüstet gewesen wäre.
Hast Du Informationen?
Danke für Deine tolle Reisebeschreibung!
Jörg