
Alpentrekking durch den einsamen Adamello
6-tägige, anspruchsvolle Höhenwanderung
Es gibt Alpenregionen und Höhenwege, an denen man sich erfreut, die von tollen Begegnungen geprägt sind und ganz besondere Momente hervorbringen. Die trägt man ewig im Herzen. Aber man kehrt nie wieder dahin zurück. Und dann gibt es Gebirgszüge, da will man am liebsten jeden Stein erkunden, den selben Berg noch mal von einer anderen Seite besteigen oder etwas vollenden, was beim ersten Mal misslang. Bei jeder neuen Tourenüberlegung ploppt der Name wieder auf und klopft hartnäckig im Hinterkopf. Der Adamello fällt bei mir definitiv in die zweite Kategorie. Es ist ein irres Gebirge, das mich nahezu auf jeder Wanderung an meine Grenzen und aus der Komfortzone bringt und mich gleichzeitig tief im Herzen berührt, mir Demut lehrt und mir das zufriedene Gefühl innerer Ruhe schenkt. Dann wieder weckt es Ehrgeiz, Abenteuerlust und Durchhaltewillen. Es ist ein bisschen so als würde man eine Playlist abspielen, bei der sich Chris de Burgh und Placebo abwechseln. Das war bei meinem ersten Alpentrekking im Adamello so und änderte sich auch beim zweiten nicht. Kurzum: ein Herzensgebirge, das ich nicht das letzte Mal besucht habe.

Die letzte große Höhenwanderung?
Mein eigentlicher Anlass für dieses Alpentrekking war eine Recherche für die Neuauflage meines Wanderführers Sentiero della Pace. Ehrlicherweise muss ich aber zugeben: Diese eine fiese Passage, die ein Unwetterschaden vor zwei Jahren unpassierbar machte, wollte ich in erster Linie für mich gehen – und mit meinem 12-jährigen Wanderhund Lotte. Zum Zeitpunkt der Tourenplanung war ich mir sicher, dass es die letzte schwere Alpentour für uns beide gemeinsam sein würde. Ihr ist bestimmt egal wo diese stattfindet, sie will nur unterwegs sein. Aber mir war es irgendwie wichtig, diese Lücke auf dem 700 Kilometer langen Sentiero della Pace zusammen mit ihr zu schließen. Wie auf dieser achtwöchigen Wanderung 2019 – wo ich ebenfalls schon dachte, es wäre die letzte große Tour – zeigte sich auch dieses Mal, dass ich glücklicherweise völlig falsch lag. Wie damals steckte mich die Hundedame total in die Tasche und hat danach gleich noch mal eine Hüttentour im Tessin hingelegt. Ende offen.

Adamello – mehr als Steine und Versicherungen
Böse Zungen würden sagen, der Adamello ist kaum mehr als eine riesige Trümmerlandschaft. Farbliche Auflockerungen in Form von rot-weiß-roten Markierungen haben die Aufgabe den wenigen Wanderern, die sich in diese Gegend verirren, den Weg über Schutt, gesicherte Felspassagen und wirr durcheinanderliegende, riesige Granitblöcke zu weisen. Es ist eine faszinierende Tristesse, in der sich scheinbar nur Steinböcke und einige wenige Wanderer wohlfühlen. Dann aber zeigt sich der Adamello wieder lieblich. Weite, grüne Täler mit sanft dahin fließenden Bächen und bunten Blumen wirken einladend. Im nächsten Moment stolpert man über eine Geschützstellung aus dem 1. Weltkrieg, der hier hoch oben ausgetragen wurde. Unweigerlich stellt man sich die Frage, wie viele Menschen hier wohl ihr Leben gelassen haben. Berge mit den Namen Monte Corona und Dosso dei Morti machen die Sache nicht besser. Zeit, das alles sacken zu lassen hat man bei den einmaligen Sonnenuntergängen und stillen Weiten auf Pässen und Gipfeln genug.
1. Überblick zum Alpentrekking
2. Adamello Höhenweg
3. Mit Hund im Adamello
4. Biwakhütten im Adamello
5. Etappen und Highlights

Überblick zum Alpentrekking
Diese Mehrtagestour durch den Adamello ist erfahrenen Bergwanderern, die problemlos T4-Wege gehen, vorbehalten. Neben absoluter Trittsicherheit, Schwindelfreiheit braucht’s vor allem einen guten Orientierungssinn. Spärliche Markierungen erfordern, dass man das Gelände gut lesen kann. Die ideale Route über die blockigen Granitfelsen muss jeder für sich selbst finden. Unabkömmlich ist eine sehr gute Kondition. Die Berghütten liegen im Adamello meist einen strammen Tagesmarsch voneinander entfernt. Zwar wird das Hüttennetz durch solide Biwakhütten (Selbstversorgerhütten) ergänzt, aber auch diese liegen oft viele Stunden von der nächsten Hütte entfernt.

Dieses Alpentrekking habe ich als autarkes Trekking ohne Hüttenübernachtungen geplant und umgesetzt. So konnte ich mit meinem Hund flexibel sein, falls sie doch schwächelt. Ich hatte zudem mein Zelt dabei, habe aber überwiegend in den Biwakhütten geschlafen. Das Zelt habe ich nur einmal genutzt. Man kann diese Tour allerdings auch ausschließlich mit Selbstversorgerhütten umsetzen, wenn man die letzte Etappe streicht. Infos über eine komfortablere Hüttentour in Berghütten durch den Adamello findest du im nächsten Abschnitt über den Adamello Höhenweg.
- Beste Reisezeit: Juli bis September
Schwierigkeit: Schwer (T1-T4) - Dauer: 6 Tage
- Länge: 86 km
- Höhenmeter Aufstieg: 5700 m
- Höhenmeter Abstieg: 5760 m

Etappenübersicht Adamello Trekking
Wie geschrieben, habe ich die Tour als autarkes Trekking geplant. Nach der dritten Etappe gibt es auch eine feste Unterkunft, die ich auch aufgrund des Wetter genutzt habe. Zurück zum Ausgangspunkt geht’s mit dem Bus.
Ausgangspunkt | Endpunkt | Strecke | Aufstieg | Abstieg | Dauer | |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Condino | Bivacco Capanna de Pere | 10.6km | 1090m | 40m | 3:30 |
2 | Bivacco Capanna de Pere | Bivacco Blumone | 11.9km | 1190m | 630m | 7:15 |
3* | Bivacco Blumone | Lago di Malga Bissina | 12.9km | 550m | 1090m | 4:45 |
4* | Lago di Malga Bissina | Bivacco Cunella | 17.0km | 1320m | 830m | 9:00 |
5* | Bivacco Cunella | Malga Pozza | 14.9km | 860m | 1230m | 6:30 |
6 | Malga Pozza | Lardaro | 18.4km | 690m | 1940m | 6:30 |
Gesamt | 85.7km | 5700m | 5760m | 20:45 |
*Es gibt alternative Routenverläufe, sowie andere Übernachtungsoptionen für diese Etappe. Diese stelle ich bei den jeweiligen Etappenbeschreibungen vor.
Wegverlauf
Download: GPX Alpentrekking Adamello
Adamello Höhenweg
Neben dem Fernwanderweg Sentiero della Pace, der etwa fünf Tage durch die einsame Landschaft des Adamellos führt, gibt es einen weiteren Höhenweg, der einen Namen hat und auch in Wanderführerliteratur und im Internet beschrieben wird: Der Adamello Höhenweg (auch Alta Via dell’Adamello oder Sentiero Adamello). Beide Wege bieten den Vorteil, dass sie einerseits – wenn auch zuweilen spärlich – markiert sind und etwas komfortablere Übernachtungen in Berghütten vorsehen. Damit sind auf beiden Wegen klassische Hüttentouren möglich. Das bedeutet aber keinesfalls, dass die oben beschriebenen Anforderungen an Kondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit geringer werden. Egal ob man vom Passo Tonale nach Lardaro auf dem Sentiero della Pace den Adamello durchquert oder auf dem Adamello Höhenweg unterwegs ist, es bleibt ein Gebirge für den erfahrenen Bergwanderer/Bergsteiger.

Beide Mehrtagestouren führen von Nord nach Süd durch den Adamello. Der Adamello Höhenweg verläuft in fünf bis sieben Tagen westlich des Val di Daone, der Sentiero della Pace in fünf Tagen östlich davon. Welcher Weg davon der schönere ist, lässt sich kaum sagen. Wer nicht genug von dieser Bergwelt bekommt, kann auch beide Wege kombinieren und auf dem einen Weg hin und dem anderen zurückwandern, da die jeweiligen Ausgangs- und Endpunkte nah beieinanderliegen.

Wegverlauf Adamello Höhenweg
Download: GPX Adamello Höhenweg
Literatur
Wer sich für den Adamello Höhenweg interessiert, findet im Hüttentrekking Band 1: Ostalpen: 32 Mehrtagestouren von Hütte zu Hütte (Rother Selection) die passende Wegbeschreibung, samt Hüttenempfehlungen, Tourenbeschreibung und einzelnen GPX-Daten in gewohnter Rother-Qualität. Der Weg wird als eine von 32 Mehrtagestouren vorgestellt.
Für den Adamello-Abschnitt auf dem Sentiero della Pace gibt es von mir einen ebenfalls im Rother Bergverlag erschienen Wanderführer. In Sentiero della Pace: Auf dem Friedensweg vom Vinschgau in die Dolomiten (Rother Wanderführer) werden die einzelnen Etappen detailliert mit den Anforderungen, Übernachtungsoptionen, GPX-Daten usw. beschrieben. Einen Bericht dazu findest du hier: Sentiero della Pace
Als Karte für alle Touren empfehle ich die Adamello Sud 1:25 000: Val Rendena – Val Daone Wanderkarte
Mit Hund im Adamello
Es wäre einfach zu sagen, wenn ein 12-jähriger Hund wie meine Lotte die Tour schafft, dann sollte sie einen anderen Hund nicht vor Probleme stellen. Das ist schlicht falsch. Ich würde sogar soweit gehen, dass sowohl kleine, als auch große Hunde deutlich mehr Probleme haben. Für die Winzlinge unter den Fellsnasen sind die Granitblöcke eine immense Herausforderung. Größere Vertreter wiederum können sich nicht darauf verlassen, dass Herrchen oder Frauchen auch vernünftig mithelfen können, wenn es aus eigener Kraft nicht reicht. Daher: Nur alpin erfahrene und eingespielte Hund-Mensch-„Seilschaften“ sollten diesen Weg gehen. Bei der vierten Etappe wollen zudem zwei ziemlich steile Eisenleitern überwunden werden. Ich habe sie mit Hund auf dem Trekkingrucksack gemeistert. Das sorgt trotz Erfahrung und einem super gehorsamen Hund für einen ziemlichen Adrenalinschub mit weichen Knien!

Auch darüber hinaus ist der Adamello nicht sonderlich geeignet für Hunde. Hüttenübernachtungen mit Hund sind – soweit mir bekannt – nur in der Mandrone-Hütte im Winterraum möglich. Daher sind Biwakhütten und das Zelt die einzigen hundetauglichen Übernachtungsoptionen. Wer jedoch dies alles auf sich nimmt, wird ein unvergessliches Rudel-Abenteuer erleben.
Biwakhütten im Adamello
Diese kleinen Hütten, die meist nur mit wenigen Schlafplätzen ausgestattet sind und meist an surreal anmutenden Ort stehen, nennt man eigentlich Biwakschachteln. Im deutschsprachigen Raum passt diese Bezeichnung auch perfekt, sind sie doch oftmals aus Metall und ähneln einer Konservendose. Während in Deutschland, Österreich und auch der Schweiz diese Biwakschachteln für alpine Notübernachtungen – beispielsweise bei einem Wettersturz – bereit stehen, verhält sich in Italien vieles anderes. Erst einmal findet man eher selten diese klassischen Metallbauten in der Größe eines kleinen Bauwagens. Vielmehr haben sie die Gestalt von alten Steinhäusern. Außerdem gibt es in Italien eine regelrechte Biwak-Kultur. Sie ergänzen die bewirtschafteten Berghütten und schließen Lücken bei Hüttentouren, dürfen also als reguläre Übernachtungsorte eingeplant werden. Das schlägt sich auch an der Anzahl nieder: In Italien gibt es über 100 Biwakhütten, in Deutschland und Österreich zusammen gerade einmal ein Viertel davon.

Die Ausstattung der Biwakschachteln ist sehr verschieden – auch im Adamello. Bei uns war von einem 5 Quadratmeter großem Steinhaus mit kaum mehr als Matratzen bis zur vollausgestatteten Hütte mit fließend Wasser und Strom alles dabei. Meist sind Decken vorhanden, aber ein eigener Schlafsack sollte eigentlich ohnehin dabei sein. Alles andere – zumindest sollte man so planen – muss man selbst mitbringen. Die Regeln für Biwakschachteln:
- Hütten können nicht reserviert werden, wenn mehr Wanderer als Betten da sind, wird zusammengerückt. Sie sind durchgehend geöffnet.
- Unbedingt Behältnisse für etwa 4 Liter Wasser mitnehmen und klären, wo die letzte Wasserstelle vor dem Biwak ist (die hier genutzten Biwaks haben alle Wasser in der Nähe). Gaskocher mitnehmen um ggfls. Schnee zu schmelzen.
- Hinterlasse die Biwakschachtel so wie du sie vorgefunden hast, bestenfalls sogar noch ein bisschen sauberer.
- Die Hütten müssen immer wetterfest verschlossen verlassen werden.
- Müll mit zurück ins Tal nehmen.
- Verrichte dein Geschäft etwas abseits der Hütte (meist gibt es dafür einen ausgewiesenen Platz) und bedecke es mindestens mit einem Stein.
Wichtig: Benutze lieber Biwakschachteln als das Zelt! Im Adamello gibt es eine stattliche Anzahl an Bären.
Etappen & Highlights meines Alpentrekkings
Nachfolgend stelle ich dir die Einzeletappen meines Trekkings vor. Beschrieben habe ich diese mit Wegpunkten, die im Text fett markiert sind. Diese findest du i.d.R. sowohl in den Wanderkarten, als auch auf dem Weg ausgeschrieben.

Etappe 1 – zur Capanna de Pere
Wer hinauf in die atemberaubende Bergwelt das Adamellos will, muss erst einmal eine stattliche Anzahl an Höhenmetern bewältigen. Wir nehmen die ersten Tausend von Condino (1) mit einem etwas mulmigen Gefühl in Angriff. Denn ich fand im Vorfeld wenig über den Zustand der Hütten heraus, wusste nicht einmal, ob es sich bei der Capanna de Pere überhaupt um eine Biwakhütte handelte. Dabei war mir spätestens seit der Nacht davor klar, dass eine Nacht im Zelt auf dieser Höhe wohl kaum die beste Idee gewesen wäre. Denn als ich nachts aus meinem Van kroch, hörte ich einen Bären davonlaufen. Das war mir nicht das erste Mal im Adamello passiert, aber so unsanft hätte ich auch nicht daran erinnert werden müssen.
Aber Aufgeben vor dem dem ersten Schritt kam natürlich nicht in Frage. Also stieg ich recht unspektakulär auf schmalen Waldpfaden Höhenmeter für Höhenmeter bis zur Capanna de Pere (2) hinauf. Dort angekommen erwartete mich die wohl beste „Biwakschachtel“ in Italien. Fließend Wasser, Strom (Licht), eine vollausgestattete Hütte sowie eine Kaminstelle, die mir einen warmen Abend versprach. Das war so viel mehr als ich erwartet hatte und womit ich zufrieden gewesen wäre.

Etappe 2 – von der Capanna de Pere (2) zum Bivacco Blumone
Als wir nach einer erholsamen Nacht morgens die nächsten Tausend Höhenmeter in Angriff nehmen, zeigt sich das Wetter von seiner besten Seite. Zunächst geht es auf einfachen Wegen von der Capanna de Pere (1) vorbei an der Malga Valle Aperta (2) und Malga Bondolo (3) immer weiter durch das Tal. Am Talschluss überrascht uns eine tolle sattgrüne Landschaft vor den schroffen Bergen. Ein Fluss plätschert und ich kann bereits links von uns den steilen Anstieg hinauf zum Monte Bruffione, 2663 m, erkennen. Der Weg ist nicht übermäßig schwierig, allerdings ist er so steil, dass ich hier und da die Hände einsetzten muss.

Der schmale Pfad ist durchaus nennenswert überwachsen – etwas was einem bei den wenig bewanderten Wegen im Adamello immer wieder unterkommt. Ein Problem was sich mit Passieren der Vegetationsgrenze schlagartig in Luft auflöst. Vom Monte Bruffione (4) genießen wir unsere Erschöpfung und das Bergpanorama gleichermaßen. Doch mein Rucksack ist schwer und der vor mir liegende Weiterweg ist schon zu erahnen: Er führt an der rechten Flanke des vor uns liegenden Bergkammes bis zum nächsten Pass. Dazwischen ragen riesige Felstrümmer auf, an denen sich zwar die Markierungen gut erkennen lassen, die aber eben auch einige Kraxelei versprechen. Ich habe daher nur die Ruhe für eine kurze Pause.
Viele Gesteinsbrocken, über die ich auch Wanderhund Lotte hievte, später erreichte ich schließlich den Passo Serosine (5). Der Blick auf den Lago Nero, die alten Ruinen aus dem ersten Weltkrieg und das schroffe Gelände machen ihn zu einer imposanten Erscheinung. Aber ich sehe auch noch viel mehr der steilen Wege durch blockiges Gelände, die bergab führen. Also geht es ohne großen Zwischenstopp wieder hinab und einige Kehren später sehe ich endlich unser Ziel, das Bivacco Blumone (6). Es ist deutlich einfacher ausgestattet als die Capanna der letzten Nacht, aber immer noch absolut solide.

Etappe 3 – vom Bivacco Blumone zum Lago di Malga Bissina
Ich starte meinen dritten Tag vom Bivacco Blumone (1) bei herrlichem Bergwetter, aber mit schweren Beinen. Doch zunächst ist der Weg sehr gnädig mit mir. Schmale Pfade schlängeln sich zunächst durch die Hochebene, dann etwas bergan bis zu einem Plateau auf dem sich klar die Ruinen einer beherrschenden Stellung des 1. Weltkriegs erkennen lassen. Von den Aussichten und der Bergwelt bin ich so begeistert, dass ich rasch meine schweren Beine vergesse und immer weiter hinauf zum Passo Termine (2) aufsteige.

Dort angekommen, muss ich die Entscheidung treffen, die ich den ganzen Morgen vor mir hergeschoben habe: Nehme ich den einfachen Weg durchs Tal oder gehe oben rum übers Rifugio Maria e Franco? Der erste würde meinen Knochen gut tun, verläuft aber später auch ein gutes Stück über Asphalt. Der zweite ist mit Sicherheit der schönere, aber der Wegverlauf – den ich von hier erahnen kann – verspricht wieder ein unübliches Maß an Granitbrocken. Meinem alten Hund zuliebe entscheide ich mich schließlich für den Abstieg. Die andere Option wäre übrigens eine Teilstrecke auf dem Adamello Höhenweg, die du zu Großteilen auf dem Blog von Gipfelgeschichten von Philipp nachlesen kannst. Man kann dann (ohne Hund) im Rifugio Maria e Franco übernachten oder läuft noch weiter über den Lago di Campo bis zum Lago di Malga Bissina.
Unser Weg 246 führt uns allerdings erst durch freies Gelände, später durch einen wunderschönen, gewachsenen Lärchenwald und dann entlang von Almen bis zum Lago di Malga Boazzo (3). Nun heißt es erneut aufsteigen, allerdings auf der Straße. Sie wird nicht sonderlich viel befahren, aber es zieht sich, hier so monoton aufzusteigen. Auf dem Weg zum Lago di Malga Bissina hat man zwei Optionen in festen Unterkünften zu übernachten. Es gibt das Restaurant Affittacamere Da Pierino Di Beltrami Damiano (4), was auch ein paar sehr einfache Zimmer hat (Tel: +39 320 196 9315). Alternativ geht man auf dem kleinen Pfad von hier weiter bis zur Staumauer des Lago di Malga Bissina (5). Hier gibt es ein kleines Bed and Breakfast (Affittacamere da Silvia), wo man auch auf Nachfrage sein Zelt aufschlagen darf.

Etappe 4 – vom Lago di Malga Bissina zum Bivacco Cunella
Oh, wie schön so ein Morgen ohne Höhenmeter sein kann! Auf Spazierwegen geht’s am Westufer des Lago di Malga Bissina (1) entlang während sich die Sonne langsam über die Berggipfel kämpft. Das ist so wunderschön, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, dass es noch einmal besser werden kann. Aber am Ende des Stausees schwenken wir in das Val di Fumo, welches wunderschön wie gemalt alle Erwartungen übertrifft! Als die Sonne auf die nassen Wiesen trifft, steigt dunstiger Nebel auf, neben mir rauscht ein wilder Gebirgsfluss und am Ende des sattgrünen Tals wacht mächtig der Care Alto. Schicke Haflinger beäugen mich links neugierig, rechts plantschen dicke Schweine im Fluss. In diesem Moment gibt es für mich keinen schöneren Ort auf der Welt.

Viel zu schnell erreiche ich das Rifugio Val di Fumo (2). Ich plaudere ein wenig mit dem Hüttenwirt und starte dann einen Cappuccino später meinen Weiterweg. Ich nehme den Weg 248, der mich die nächsten Stunden von diesem Idyll in eine surreale Gebirgswelt bringt. Am Ende des Tages werde ich mehr Steinböcke gesehen haben, als Wanderer auf dem gesamten Trekking. Aber ich werde auch einige Körner gelassen haben, wenn ich nach neun Stunden an meinem Ziel ankomme.
Ich steige auf einem schmalen, steilen aber gut zu gehenden Weg bis zur ersten Hochebene auf. Hier grünt es noch, aber die Vegetation wird bald durch das abgelöst, was es im Adamello am meisten gibt: Steine und Granit. Diese werden später durch Gletscherschliffplatten mit immensen Ausmaßen durchbrochen, an der Trümmerlandschaft ändert das freilich wenig. Der Aufstieg zum Pass ist jedoch sehr gut markiert, so gut es eben in diesem Gelände geht. Nebelfetzen umhüllen derweil die schroffen Bergzacken. Am Ende verlangen riesige Granitblöcke von uns den ein oder anderen Balanceakt bis wir schließlich am Passo San Valentino (3) mit einem kurzen Hagelschauer begrüßt werden.
Aber das Gefühl, es allein bis hierhin geschafft zu haben, beflügelt uns und wir steigen – neugierig von Steinböcken beäugt – durch Schutt, Granit und Schnee hinab zum Lago di Valletta alta (4), den wir schon vom Pass erkennen können. Kurz vor dem See wird das Gelände wieder etwas angenehmer und auch das Wetter lockert wieder auf. Rechts geht es vorbei am See bis ich an die mir bekannte Wegkreuzung Valletta alto (5) treffe. Hier schwenken wir auf den Sentiero della Pace nach rechts. Wiesenwege und Blockwerk wechseln sich ab, bis wir uns rechts mehr oder weniger weglos und super steil bis zum Einstieg zum Coston della Vallina schlagen. Ich fluche – oft und laut. Am Einstieg sind eigentlich die Kraftreserven aufgebraucht, aber wir haben noch ein heikles Stück vor uns. Ich schultere Wanderhund Lotte zusätzlich auf den schweren Trekkingrucksack und meistere die beiden steilen Eisenleistern mit weichen Knien. Auch weiter ist der Steig versichert, aber weniger ausgesetzt. Wir erreichen ziemlich müde schließlich den Coston della Vallina (6).

Vor uns liegt eine riesige Trümmerwelt. Mit Mühe erkenne ich ein kleines winziges oranges Dach in all diesen Steinen. Das muss das Bivacco Cunella (7) sein! Wir suchen uns den Weg und erreichen tatsächlich recht flott das Mini-Biwak. Drei Schlafplätze auf 5 Quadratmetern bietet es in dieser irren Welt. Den Sonnenuntergang genieße ich beim Abendessen und bin schlicht total überwältigt.
Etappe 5 – vom Bivacco Cunella zur Malga Pozza
Ich zögere den Start am nächsten Morgen lange hinaus. Der Sonnenaufgang ist so traumhaft, dass ich schon jetzt weiß, es wird einer der schönsten Moment des ganzen Trekking-Jahres sein. Ich koche mir gemütlich einen zweiten Kaffee, vor mir liegt mein Herzenshund in der Sonne und wärmt sich an den ersten Sonnenstrahlen des Tages und ich starre einfach in die sich vor mir auftuende Weite. Glück. Zufriedenheit. Innere Ruhe. Eigentlich könnte ich jetzt direkt ins Tal absteigen. Aber ich habe ja noch einen Rechercheauftrag. Also starte ich viele Minuten später schließlich vom Bivacco Cunella (1).

Richtung Süden wandern wir zunächst komfortabel, später wieder über Gesteinsbrocken hinauf zur Bocca della Cunella (2). Rechts markiert eine gelbe Taube „meinen“ Fernwanderweg, den Sentiero della Pace. Nun liegt ein quälend langer Abstieg zum Rifugio Trivena (3) vor mir, der mich steil hinab zum Val di Breguzzo bringt. Am Rifugio gönne ich mir das einzige warme Mittagessen der ganzen Tour. Statt dem Fahrweg zu folgen, wähle ich den recht neuen Waldweg 254, der den Übergang zum Val d’Arno ohne Höhenverlust ermöglicht.
Der Weg sah auf Karte und Höhenprofil einfach aus, entpuppte sich aber als versicherter Steig, der mit seinen vielen kleinen Auf- und Abstiegen durchaus als kräftezehrend zu bezeichnen ist. Ab der Malga d’Arno (4) werden die Wege wieder einfacherer, allerdings führen auch sie hinauf. Das letzte Stück bis zu den Ruinen der Malga Pozza (5) ist wieder etwas steiler. Ich schlage hier mein Zelt auf, denn die Almwiesen werden schon nicht mehr beweidet. Wer dieses Glück nicht hat, muss weiterlaufen und findet womöglich am Passo del Frate einen geeigneten Platz.
Hinweis: Es gibt keine offizielle Übernachtungsoption im Val d’Arno! Wer ohne Zelt unterwegs ist, steigt ab dem Rifugio Trivena durch das Val di Breguzzo bis nach Bondo ab. Auch hier fährt der Bus zum Ausgangspunkt zurück.
Etappe 6 – von der Malga Pozza nach Lardaro
Einen traumhaften Sonnenaufgang später, mache ich mich von der Malga Pozza (1) auf den Weiterweg. Ich habe Respekt vor dieser letzten Etappe, die aufgrund der fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten unter den ohnehin wenig frequentierten Adamello-Wegen zu den am wenigsten begangenen gehört. Die Anstrengungen der letzten Tage spüre ich deutlich und die Namen der Berge Monte Corona und Dosso dei Morti (dt. = Kuppe der Toten) machen die Sache auch nicht besser. Der Anstieg zum Passo del Frate (2) hat es mit einigen Kraxeleinheiten auch gleich in sich, allerdings ist die Orientierung einfach: Eine markante Felsnadel ragt aus dem weißen Kalkmarmor, der sich ohnehin aus dem grauen Felsgestein abhebt, deutlich heraus.

Warum der Pass diesen Namen trägt, wird beim Aufstieg deutlich. Frate heißt übersetzt soviel wie Mönch und den kann man in dem Steinturm tatsächlich erkennen. Der Passo selbst wiederum ist ein ehemaliger Kriegsschauplatz. Eindrücklich sehen wir Barackenreste, in den Fels gehauene Unterstände und Treppen. Die sich anschließende Kammwanderung ist leichter als erwartet – und traumhaft schön!
Zwar erfordert der schmale Pfad am Grat entlang Konzentration, die schweren Stellen sind jedoch durch Versicherungen entschärft. Ich mag diese neblige Stimmung an diesem Tag, laufe durch Schützengräben oder auf schottrigen Wegen durch Fels oder auf Grasbergen bis zum Monte Corona (3), 2508 m. Der höchste Punkt dieser Etappe ist nicht mit einem klassischen Gipfelkreuz ausgestattet, sondern mit einem Metallzacken aus dem ersten Weltkrieg. Wenige Meter darunter finden wir eine Baracke. Immer weiter laufen wir den Grat entlang. Der Schotterweg geht irgendwann in einen Grasweg über und nach dem zigsten Auf und Ab erreichen wir schließlich den Dosso dei Morti (4), auf dem sich ein Gedenkkreuz an die Tiroler Standschützen befindet.

Auch wenn der Blick hinab leicht dunstig ist, es ist ein toller Aussichtsberg und unsere Pause fällt etwas länger aus. Allerdings hat es auch der Abstieg noch in sich. Am Ende des Tages werden knapp 2000 Höhenmeter allein im Abstieg hinter uns liegen. In Serpentinen geht’s zunächst bequem zur Malga Avalina (5). Wer genug Abenteuer in seinen Beinen hat, nimmt ab hier die Fahrstraße hinab nach Lardaro. Alle anderen müssen sich nach der Alm etwas weglos über den Grashang hinab schlagen bis wir am Dosso Brullo (6) und wieder instandgesetzter Schützengräben ankommen. Kurz darauf erreichen wir einen befestigten Weg und steigen – mit dampfenden Pfoten und Füßen – vorbei an zwei Werken aus dem 1. Weltkrieg hinab bis Lardaro (7).
Gefällt dir die schroffe Landschaft des Adamellos? Warst du selbst schon mal hier? Ich freue mich auf deinen Kommentar.
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4 Kommentare zu “Alpentrekking durch den einsamen Adamello”
Hallo Romy, in Deinem Wanderführer konntest Du nicht über den Coston della Vallina gehen, jetzt hast Du es geschafft. Was war der Unterschied? 2008 sind wir dort gegangen und das folgende Biwak Cunella war dermassen vergammelt, dass wir weiterging, war es dieses Jahr in besserem Zustand? Und zu dem Weg, der von der Trivena ins Val D Arno geht wurde 2006 von Dumler schon angekündigt, war 2008 aber noch nicht ersichtlich. Vor kurzem habe ich ihn in einer nagelneuen Karte entdeckt. Ist es wirklich eine Erleichterung, wenn er anscheinend anspruchsvoll ist?
Hey Jochen,
2019 waren die Eisenleitern (und womöglich andere Versicherungen) zerstört. Es gab kein hinauf. Diese sind nun wieder instand gesetzt. Das Biwak Cunella ist sicher kein Luxusort. Aber es war sauber (lediglich ein paar Spuren der Mäuse für die keiner was kann) waren zu sehen. Ich konnte damit leben. Der Weg ins Val D’Arno ist gut in Schuss und sicher um einiges schöner als auf den breiten Fahrstraßen zu wandern. Oftmals liegt ja das Empfinden in der Erwartungshaltung. Wenn man einen höhehaltenden Spazierweg erwartet, dann aber einen anspruchsvollen Pfad, der auf und ab geht bekommt, fühlt es sich schwerer an. Wie viel Höhenmeter man letztendlich wirklich spart, kann ich nicht sagen. Der Weg wäre trotzdem meine erste Wahl.
Ich hoffe, dir geholfen zu haben!
Liebe Grüße
Romy
Hallo Romy,
danke für deinen ausführlichen Bericht!
Am Anfang schreibst du, es handelt sich teilweise um den Schwierigkeitsgrad T4, bzw. man sollte mit Schwierigkeitsgrad T4 vertraut sein. Nach einer Onlinerecherche habe ich gelesen, dass bei T4 in Felspassagen schon ein Helm getragen werden sollte, bzw. etwas unerfahrenere Bergsteiger*innen gesichert werden sollten. Wie schätzt du das bei dieser Wanderung ein? Trifft das auf die Wanderung zu? Ich bin unsicher, weil ich die Tour gerne machen möchte, aber noch nicht so super bergerfahren bin und mich die Beschreibung des Schwierigkeitsgrades T4 schon sehr verunsichert hat. Schätzt du die Wanderung wirklich als T4 ein? Würde mich sehr über eine Antwort freuen 🙂
Liebe Grüße aus Leipzig, Paul